Materialien 1990

„Das ist ja wie beim Stasi“

Verfassungsschutz schikaniert Metaller

Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz? Der Ingenieur Heinrich Schmidt (41), seit acht Jahren mit der Wartung von Bundeswehrtriebwerken beschäftigt, klagt beim Verwaltungsgericht München um Auskunft darüber, warum das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ihm den Stempel „Sicherheitsrisiko“ verpasst hat. Die weiß-blaue Lauschbehörde verweigert die Auskunft – mit Hinweis auf den Datenschutz. Nun soll das Bundesverfassungsgericht klären, wie verfassungsgemäß derartige Praktiken sind.

Seit acht Jahren ist Heinrich Schmidt, Vater von fünf Kindern und Metaller, ohne die geringsten Beanstandungen bei der Firma Häusler in Baierbrunn beschäftigt, die als Subunternehmer von MTU fungiert. Im März 1989 bat ihn der Sicherheitsbeauftragte von MTU, sich im Rahmen des „vorbeugenden Sabotageschutzes“ mit einer routinemäßigen Überprüfung einverstanden zu erklären. Heinrich Schmidt unterschrieb den Revers völlig arglos. Ein halbes Jahr später erfuhr er aus dem Mund seines Chefs, der Verfassungsschutz habe ihn als „Sicherheitsrisiko“ eingestuft. Heinrich Schmidt bekam Hausverbot für MTU – was sich mit seinen beruflichen Aufgaben kaum vereinbaren lässt.

Alle Bemühungen, den bösen Vorwurf zu entkräften, stießen ins Leere. Das Landesamt für Verfassungsschutz verschanzt sich hinter dem bayerischen Datenschutzgesetz, nach dessen Wortlaut Bürger keinen Auskunftsanspruch gegenüber der Behörde haben. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München Anfang Mai wollte der Behördenvertreter nicht mal Auskunft darüber erteilen, ob Daten über Heinrich Schmidt gespeichert sind.

Den Vorwurf von Rechtsanwalt Wächtler, „das ist ja nicht anders als beim Stasi“, wies der stellvertretende Verfassungsschutzpräsident mit hochrotem Kopf zurück: „Der Stasi ist nie von einem Datenschutzbeauftragten kontrolliert worden.“ Die Münchner Verwaltungsrichter haben nun beschlossen, das bayerische Datenschutzgesetz in Karlsruhe auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen.

Hannelore Messow


Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 10 vom 18. Mai 1990, 16.

Überraschung

Jahr: 1990
Bereich: Bürgerrechte