Materialien 1991

Aus für Mithörer

Betriebsvereinbarung zu „Hicom“ bei Siemens

ISDN, das von der Bundespost geplante „Integrierte Sprach- und Datennetz“, stößt bei den Datenschützern bundesweit auf Widerstand. Derweil werden in den Betrieben meist sang- und klanglos Telefonanlagen installiert, die von ihren technischen Möglichkeiten genauso brisant sind. Wie etwa das System „Hicom“, die „ISDN-fähige Nebenstellenanlage“ aus dem Hause Siemens. Der Betriebsrat am Siemens-Standort München, wo „Hicom“ entwickelt wurde, konnte jetzt eine Betriebsvereinbarung durchsetzen, an der sich auch die Anwenderbetriebe orientieren können.

Knackpunkt der Hicom-Technik: Sie ermöglicht das vom Benutzer unbemerkte Kopieren, Proto-
kollieren oder Mithören der Telefongespräche oder übersandten Daten. Durch die Betriebsver-
einbarung bleiben diese „Leistungsmerkmale“ ausdrücklich technisch ausgeschlossen.

Die Vereinbarung legt genau fest, welche der insgesamt sechzig „Leistungsmerkmale“ in Betrieb genommen – und welche abgeschaltet werden.

Der Ingenieur und IG Metall-Betriebsratsmitglied Heribert Fieber: „Der Umstand, dass Hicom bei uns entwickelt und getestet wurde, war gleichzeitig eine Verpflichtung und ein Problem für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit Pilotfunktion. Manchmal hatte ich den Eindruck, nicht die Betriebsleitung verbreitet den stärksten Gegenwind, sondern die mit der Hicom-Entwicklung Beschäftigten.“

Mit im Boot

Denn auch die Entwicklungsingenieure sind unmittelbar am Verkaufserfolg des Systems interes-
siert. Heribert Fieber: „Als Betriebsräte wissen wir: Wir sitzen mit im Boot und werden es nicht zum Kentern bringen. Auf der anderen Seite müssen gerade wir, die wir die Missbrauchsgefahren dieser Technik genau kennen, Vorreiter bei der sozialverträglichen Anwendung sein. Das ist mit der Vereinbarung weitgehend gelungen.“

Hannelore Messow


Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 19 vom 20. September 1991, 16.

Überraschung

Jahr: 1991
Bereich: Bürgerrechte