Materialien 1991
Arbeit an Militärgerät verweigert
Ingenieur unter Druck
Bisher haben noch nicht viele Beschäftigte in der Metallindustrie die Arbeit verweigert, weil sie sich nicht mittelbar am Kriegsgeschehen schuldig machen wollen. Einer, der es gewagt hat, ist der Ingenieur Werner Uhlenbruck in München.
„Meine Arbeit soll Nutzen bringen. Sie soll nicht dazu beitragen, Menschen zu zerstören.“ Der 59jährige Uhlenbruck, seit 15 Jahren bei der Medizintechnik-Firma Picker als Service-Ingenieur für Röntgengeräte beschäftigt, will seit dem Beginn des Golfkrieges keine Bundeswehrgeräte mehr betreuen – und wird deshalb von der Firmenleitung unter Druck gesetzt.
Werner Uhlenbruck: Fall wird noch geprüft
Offener Brief
Am Tag, als das Bombardement am Golf begann, hatte der Münchner Metaller die Geschäftslei-
tung in einem offenen Brief um Entbindung von den Bundeswehraufträgen (die nur etwa fünf Prozent seiner Arbeitszeit ausmachen) gebeten. „Ohne medizinische Infrastruktur ist kein Krieg führbar, so dass meine Tätigkeit, sollte ich sie im früheren Umfang fortsetzten, diese militärische Entwicklung unterstützen würde“, schrieb der Ingenieur, verbunden mit der Bitte, seine Entschei-
dung zu akzeptieren und bei der Personalplanung zu berücksichtigen.
Bei den Kollegen fand er Verständnis – doch die Münchner Geschäftsleitung, repräsentiert durch den US-Amerikaner Howard Underwood, unterstellte ihm einen „Verstoß gegen arbeitsvertragli-
che Pflichten“ und gab ausdrücklich Anweisung, den Ingenieur zur Prüfung von Bundeswehrgerä-
ten einzuteilen.
Als der Metaller am 5. Februar einen solchen Termin nicht wahrnahm, wurde er zur Geschäftslei-
tung zitiert – und von Mister Underwood gekündigt. Dass diese Kündigung rechtlich keinen Be-
stand haben kann, weil nicht mal der Betriebsrat informiert war, hat inzwischen wohl auch die „Pikker“-Zentrale in Espelkamp eingesehen. „Das mit dem Wort Kündigung war wohl ein sprach-
liches Missverständnis, wir prüfen noch, wie der Fall zu behandeln ist“, war die Stellungnahme der Personalleitung gegenüber METALL. Die Verwaltungsstelle München gewährt dem Gewerkschaf-
ter Uhlenbruck Rechtsschutz.
Hannelore Messow
Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 4 vom 22. Februar 1991, 8 f.