Materialien 1992
Notfalls Streik für Tarifvertrag
Metaller bei Digital wollen Rationalisierungsschutz
„Mir müssen unsere Zukunft selbst gestalten“, nach dieser Devise treten die Beschäftigten bei Digital Equipment Deutschland gemeinsam mit der IG Metall jetzt an, um die bislang nicht tarifgebundene Firma zum Abschluss eines Haustarifvertrags „Rationalisierungsschutz“ zu bewegen. Notfalls mit Streik.
Die Konzernzentralen haben ihren Teil zur Branchenkrise beigetragen: Der jahrelange Verdrän-
gungswettbewerb hat Überkapazitäten und Preisverfall zur Folge gehabt. Und auch die jetzt pro-
pagierten Sanierungskonzepte gleichen einander wie ein Ei dem nächsten: Bei IBM, SNI, Wang, Bull, Commodore und Digital sollen Arbeitsbedingungen verschlechtert werden, immer größere Teile der Belegschaften über die Klinge springen.
Konzepte aus der Klamottenkiste, bei denen die einst wegen ihrer Kreativität gerühmten Beschäf-
tigten wie Ballast behandelt werden. Oder, wie es in dem Flugblatt der Digital-Tarifkommission zur Darstellung der Tarifforderung heißt: „Jetzt versucht die Firma, ihre Zukunft ohne uns zu gestal-
ten: Outsourcing, Unternehmensteilungen, Vergabe an Subunternehmer sind die Schlagworte.“
Mit dem Tarifabkommen zum Rationalisierungsschutz wollen die Gewerkschafter bei Digital auch das Unternehmen dazu bewegen, seine Strukturen für eine solide Unternehmensplanung umzuge-
stalten, die eine Marktanpassung und die Erschließung neuer Geschäftsfelder mit den vorhande-
nen Beschäftigten ermöglicht.
Erster Termin
Neben „klassischen“ Ratio-Schutzbestimmungen (wie Kündigungs- und Abgruppierungsschutz für ältere und für langjährig Beschäftigte, einer Vorruhestandsregelung und dem Prinzip „Versetzung vor Kündigung“) enthält der Tarifentwurf auch weitgehende Weiterbildungsansprüche, Arbeits-
zeitflexibilisierung im Sinne der Beschäftigten.
Mit der Forderung nach wirkungsvoller Einbeziehung der Beschäftigten in die konkreten Planun-
gen soll die Unternehmensleitung aber auch zu mehr Transparenz und Zuverlässigkeit der inner-
betrieblichen Entscheidungsstrukturen gezwungen werden.
Die bayerische IG Metall hat im Auftrag der Digital-Tarifkommission der in München ansässigen Geschäftsführung mittlerweile einen ersten Verhandlungstermin Ende Oktober vorgeschlagen. Derweil ist an allen Standorten von Digital Deutschland eine Mitglieder-Werbeaktion angelaufen, um Kräfte zur Durchsetzung dieses Tarifvertrags zu sammeln. Denn, so der Gesamtbetriebsrats-
vorsitzende und Metaller Dieter Jung: „Wenn wir nicht streikfähig sind, können wir der strikten Personalabbau- und Sparpolitik des Konzerns keine Alternative entgegensetzen.“
Hannelore Messow
Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 20 vom 2. Oktober 1992, 20.