Materialien 1993

Missbrauch der Arbeitsämter

Durch die sinnlose Meldekontrolle wird die Arbeitsvermittlung lahmgelegt

„Die Meldekontrolle geht ganz eindeutig zu Lasten der Vermittlung“, so die ungeschminkte Wahrheit über die von Bonn verfügte Großaktion, mit der angeblich 365 Millionen Mark an „missbräuchlich“ kassiertem Arbeitslosengeld eingespart werden sollen. Die gigantische Überwachungsaktion, die Arbeitslose zu monatlichen Kontrollbesuchen beim Arbeitsamt zwingt, gerät zum Riesenflop.

„Wir sind froh, wenn wir das halbe Jahr hinter uns haben“, so Hans-Christian Guhde vom Arbeitsamt München. Bereits im April (anderswo erst im Mai) hat das Münchner Arbeitsamt die von Bonn angeordnete Großaktion gestartet: Jeder zweite Arbeitslose wurde schriftlich vorgeladen, unabhängig von konkreten Stellenangeboten.

„Weil die Warteräume für den normalen Publikumsverkehr bei uns schon überfüllt sind, haben wir zu Gruppen von mittlerweile 60 eingeladen, um überhaupt durchzukommen. Pro Tag werden bei uns fünf solcher Gruppentermine durchgeführt. Im Mai lag die Quote derjenigen, die sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet haben, mit etwa drei Prozent kaum über den üblichen Abmeldungen.“ Nicht nur Arbeitsvermittler Guhde hat Zweifel, ob die Überwachungsaktion den vorgegebenen Sparzweck erfüllt. Allein im Westen der Bundesrepublik müssen allmonatlich rund eine halbe Million Briefe verschickt werden – die Portokosten sind noch der kleinste Belastungsfaktor dabei. Mindestens 20 Prozent der Personalkapazität der Arbeitsämter wird dadurch gebunden. Das geht auf Kosten der Vermittlungstätigkeit. Hans-Christian Guhde: „Wir müssen mehr Leute einfach durchschleusen. Für Einzelgespräche bleibt weniger Zeit, Außendienst in Betrieben ist kaum noch zu machen.“

Während die Pressestelle der Nürnberger Bundesanstalt den Rückgang bei Arbeitsplatz-Vermittlungen eher der „Konjunktur“ zuschreiben will, machen die Chefs der meisten Landesarbeitsämter keinen Hehl daraus, dass die Überwachungsaktion die eigentliche Arbeit eher behindert.

Resi Greinwald von der IG Metall-Verwaltungsstelle München, gleichzeitig stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsausschusses beim Arbeitsamt München: „Das Ganze ist eine Kampagne zur Diffamierung von Arbeitslosen, nicht zur Einsparung von unberechtigt kassierten Leistungen. Niemand spricht vom Leistungsmissbrauch der Arbeitgeber, die langjährig Beschäftigte mit Aufhebungsverträgen an die Arbeitsverwaltung abschieben.“

Hannelore Messow


Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 12 vom 14. Juni 1993, 20 (07).