Materialien 1993

Rotstift beim Umweltschutz

Siemens München: Kein Job-Ticket für die Beschäftigten

Siemens blockiert die Einführung eines Job-Tickets für seine Beschäftigten in München. Umweltschutz wird von den Siemens-Managern zwar gepriesen. Nur: Dafür zahlen wollen sie nicht.

Um die Autofahrer zum Umsteigen auf das in der Bayern-Metropole gut ausgebaute Netz des öffentlichen Nahverkehrs zu bewegen, hat der Münchner Verkehrs-Verbund (MVV) dem Siemens-Konzern für seinen personalstärksten Standort an der Hofmannstraße Jahresnetzkarten zum halben Preis angeboten. Unter der Voraussetzung, dass drei Viertel der Belegschaft (12.000 der 16.000 Beschäftigten) das Angebot nutzen.

Diese Umsteiger-Quote, so ergab eine Umfrage des Betriebsrats bereits vor einem Jahr wäre leicht zu erreichen, wenn Siemens (wie beispielsweise BMW in München) das Job-Ticket durch Zuschüsse billiger machen würde. Doch der Konzern, voll auf dem Spar-Trip bei Sozialleistungen, will keine Fahrtkostenzuschüsse übernehmen. Frei nach dem Motto: Umweltschutz ist gut – nur kosten darf er nichts.

Tägliche Staus

Die Umfrage des Betriebsrats hatte gezeigt, dass bereits jetzt mehr als die Hälfte der Siemensianer „öffentlich“ zur Arbeit fahren. Mindestens so hoch ist der Anteil auch in Neu-Perlach. Kein Wunder: Die Münchner Verkehrsplanung hat die Siemens-Standorte bei den Trassenführungen stets bestens berücksichtigt. Die Kosten wurden „sozialisiert“ – sprich: auf die Tarife für die Allgemeinheit umgelegt.

Kein Wunder, dass mittlerweile auch eine beträchtliche Zahl von Siemens-Beschäftigten die Münchner Verkehrstarife als „zu teuer“ bezeichnet – und deswegen mit dem Auto fährt. Das verbilligte Angebot einer Jahresnetzkarte, so die Umfrage des Betriebsrats, würde mindestens 20 Prozent der Belegschaft zum Umsteigen auf den MVV bewegen. Was die täglichen Staus auf dem Mittleren Ring ebenfalls mildern könnte.

Doch obwohl der MVV die Jahresnetzkarten zum halben Preis anbietet (was wohl für andere Münchner Siemens-Standorte übertragbar wäre), hat der Elektro-Multi abgelehnt. Jürgen Maschmann, Betriebsrat bei Siemens Hofmannstraße: „Die Entscheidung kam aus der Zentrale. Da regiert zur Zeit der Rotstift. Umweltschutz kommt bei der Firmenleitung zwar in großen Worten vor – doch auf Taten warten wir vergebens.“

Hannelore Messow


Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 17 vom 20. August 1993, 20 (07).

Überraschung

Jahr: 1993
Bereich: Umwelt