Flusslandschaft 2012

Flüchtlinge

„Toleranz? Aba freili! De meistn vo uns, dees woaß ma doch, hom iiiiiibahaupts nix gega Rauslän-
da!“1

Jugendliche ohne Grenzen (J.o.G.) wurde am 29. November 2006 in München gegründet. Am
7. Januar 2012 beginnen sechzig Jugendliche aus Afghanistan in der Bayernkaserne in der Heide-
mannstraße mit einem Hungerstreik. Eine ihrer zentralen Forderungen ist der persönliche Besuch des Leiters der Münchner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und eine schnelle und transparente Bearbeitung ihrer Asylanträge. Nachdem offenbar ein Großteil ihrer Forderungen anerkannt wurde, beenden sie ihren Hungerstreik am Montag, 16. Januar.2

3. März, Stachus: „Stop Deportations to Afghanistan!“. Zur Demo rufen auf: J.o.G. – Bayern, Nako! Stop Deportation to Afghanistan, Karawane München und der Bayerische Flüchtlingsrat.3

„abschiebungen innerhalb europas stoppen! – dublin 2 kippen! … Fast 7.200 Flüchtlinge wurden 2011 aus Deutschland in ihre (vermeintlichen) Herkunftsstaaten abgeschoben. Zusätzlich wurden aber auch rund 2.900 Abschiebungen innerhalb Europas durchgeführt – so wurden beispielsweise Bürgerkriegsflüchtlinge aus Somalia nach Italien oder afghanische Flüchtlinge nach Ungarn abge-
schoben. Grund dafür ist die Dublin 2-Verordnung. Diese legt fest, welches europäische Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Einfach gesagt ist es der Staat, der ‚verschuldet’ hat, dass ein Flüchtling nach Europa gelangen konnte, und Europa sich überhaupt mit den Schutz-
suchenden beschäftigen muss – trotz militarisierter Außengrenzen. Können Flüchtlinge die Staa-
ten am Rande Europas nicht unbemerkt passieren, werden ihnen dort Fingerabdrücke abgenom-
men, die in der europäischen Datenbank EURODAC gespeichert werden. Wenn ein Flüchtling später Asyl in einem anderen Staat beantragt, kann somit der Staat der ersten Einreise ermittelt werden, und der Flüchtling dorthin abgeschoben werden. In Italien erwartet die Abgeschobenen dann ein Leben in Obdachlosigkeit und Armut, in Ungarn Haft unter besonders menschenunwür-
digen Umständen oder in Malta völlige Perspektivlosigkeit. Viele fliehen daher erneut, um in ande-
ren europäischen Staaten endlich Schutz zu finden – werden letztlich aber wie ein Spielball inner-
halb Europas hin- und hergeschoben. Das Dublin 2-System muss umgehend abgeschafft werden! Keine Abschiebungen ins soziale Elend an den Rändern Europas! – Asylsuchende müssen dort Schutz suchen dürfen, wo sie möchten! Deswegen protestieren wir am 30. März 2012 an den Flug-
äfen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München. Bereits 2011 wurden vom Europä-
ischen Gerichtshof für Menschenrechte Abschiebungen nach Griechenland als menschenunwürdig verurteilt, nachdem das Asylsystem dort zusammengebrochen war und Flüchtlinge auf der Straße verelenden. Deutschland und viele andere Staaten sahen sich daraufhin gezwungen, Abschiebun-
gen nach Griechenland auszusetzen. Die dortige Situation ist allerdings keine Ausnahme. Mit unse-
rem Protest wollen wir erreichen, dass aus dem sozialen Elend für Flüchtlinge in anderen europäi-
schen Staaten auch endlich Konsequenzen gezogen werden – und das Dublin 2-System letztlich fallen muss! Kommt am Freitag, den 30. März 2012, um 17:30 Uhr, ins MAC-Forum (Bereich zwi-
schen den Terminals) des Münchner Flughafens und protestiert mit uns gegen Dublin 2-Abschie-
bungen und für bedingungslose Bewegungsfreiheit – nach Europa und in Europa! – Der Aufruf wird unterstützt von: aka muc, Bayerischer Flüchtlingsrat, eaam, Karawane München & Münchner Flüchtlingsrat“4

Seit April befindet sich Refugio in der Rosenheimer Straße 38 in Haidhausen.5

Am 26. Mai, Samstag, um 13.30 Uhr beginnt vor dem Sendlinger Tor die Lagerland-Abschluss-
Demo. Etwa hundertfünfzig Flüchtlinge aus zwanzig Lagern in ganz Bayern und etwa 350 Münch-
ner UnterstützerInnen protestieren gegen Flüchtlingslager und die rassistische Flüchtlingspolitik und demonstrieren für gleiche Rechte zum Bayrischen Landtag.6

Am 30. September leben 1.027 Asylsuchende und 1.110 Asylberechtigte in München. – Am 26. November hat die Regierung von Oberbayern 1.043 Personen in den staatlichen Gemeinschafts-
unterkünften in München untergebracht.

Bayern will etwa 3.000 afghanische Flüchtlinge abschieben. Am 22. Dezember errichten afghani-
sche Flüchtlinge und der Münchner Flüchtlingsrat auf dem Max-Joseph-Platz ein symbolisches Flüchtlingslager.

Am 28. Dezember wird das Zeltcamp von protestierenden Flüchtlingen in Wien gewaltsam von
der Polizei geräumt. Zwei Aktivisten werden dabei in Abschiebehaft genommen. Die Wiener Votivkirche bleibt weiterhin besetzt. In München demonstrieren daher am 29. Dezember rund
70 Personen in Solidarität mit den Protestierenden in Wien gegen die Polizeirepression, gegen Abschiebungen und für die Erfüllung der Forderungen des Wiener Protests wie der nach einem bedingungslosen Bleiberecht.7

Biss. Bürger in sozialen Schwierigkeiten berichtet über die bayrische Asylpolitik und interviewt dazu Stadtrat Sigi Benker.8

(zuletzt geändert am 13.12.2020)


1 Uwe Dick, Spott bewahre! St. Pölten/Salzburg/Wien 2012, 117.

2 Siehe www.bayern.jogspace.net/ueber-mich/ und www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2012/01/16/517/ Siehe dazu auch Caspar Schmidt: „Blonder Engel auf Talfahrt. Über einen Pfarrer, der die Proteste von Flüchtlingen in der Bayernkaserne erstickte“ In: Hinterland 20/2012, 51 ff., www.hinterland-magazin.de/ausgabe20.php.

3 Siehe www.d-nako.jogspace.net/tag/nako und www.fluechtlingsrat-bayern.de.

4 Siehe www.dublin2.info.

5 Siehe www.refugio-muenchen.de und www.grenzenlos-frei.de.

6 Siehe www.deutschland-lagerland.de und die Fotos der Demonstration „stop deportation!“ von Andrea Naica-Loebell.

7 Siehe www.refugeecampvienna.noblogs.org/

8 Vgl. Biss. Bürger in sozialen Schwierigkeiten vom Januar 2013, 10 f.

Überraschung

Jahr: 2012
Bereich: Flüchtlinge