Flusslandschaft 2012

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Gegen den geplanten internationalen Vertrag gegen Produktpiraterie mit dem Namen Anti-Coun-
terfeiting Trade Agreement
(ACTA) demonstrieren am 11. Februar deutschlandweit Abertausende. Mit ACTA würden Provider, die dafür haften müssten, wenn ihre Internetnutzer Urheberrechts-
verletzungen begehen, de facto gezwungen, künftig ihre Internetaktivitäten zu überwachen und Zensur auszuüben, indem sie Inhalte löschen und Internetseiten sperren. Polen, Lettland, Tsche-
chien und die Slowakei haben das Abkommen auf Eis gelegt, auch die Bundesregierung scheint skeptisch zu werden.1 In München demonstrieren 16.000 unter dem Motto „ACTA ad acta“. Ab-
surd ist ein fauler Kompromiss, den die Demonstrationsanmelder mit den Behörden ausgehandelt haben. Bei Demonstrationen gilt in Bayern ein „Vermummungsverbot“, Masken zählen zu Gegen-
ständen „passiver Bewaffnung“. Andererseits wird das Tragen von Guy-Fawkes-Masken weltweit zum symbolischen Akt, der auf eine massenhafte Übereinstimmung in der Ablehnung der schlech-
ten Wirklichkeit und der Befürwortung zivilen Ungehorsams hinweist. Per Gesetz ist es aber in Bayern verboten, Guy-Fawkes-Masken zu tragen, sogar das Mitführen (in der Tasche oder in der Hand) ist nicht gestattet. Nach längerer Verhandlung mit den Behörden findet sich ein „Kompro-
miss“: München erlässt die grandiose Ausnahmegenehmigung, dass die Masken nur am Hinter-
kopf getragen werden dürfen und der/die Maskenträger/in Personalausweis oder Pass mit sich zu führen hat. Die Genehmigung beinhaltet sogar noch einen großzügigen Zusatz: Bei der Abschluss-
veranstaltung ab ca. 14 Uhr auf dem Odeonsplatz dürfen bis zu 10 Prozent der Teilnehmer die Maske für 10 Minuten auch auf dem Gesicht tragen. Großartig!1

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Demonstration vom 25. Februar

Samstag, 25. Februar: zweiter Aktionstag gegen ACTA in 56 deutschen Städten, darunter auch in München. Die Demo der etwa 2.000 Menschen beginnt um 15 Uhr am Odeonsplatz. Guy-Fawkes-Masken dürfen von Personalausweisen begleitet zwei mal 15 Minuten getragen werden.3

Genaueres will niemand gerne wissen. Naive Zeitgenossen glauben, vor jedem Computer sitze ein Mensch und bediene die stupide Maschine. Tatsächlich nehmen inzwischen mehr als fünfzig Prozent „nicht-menschliche Einheiten“, also programmierte Maschinen am Verkehr im Internet teil. Das Netz kommuniziert zunehmend mit sich selber. Der „Bot Traffic Report“ der auf Inter-
netsicherheit spezialisierten Firma Incapsula vom Frühjahr 2012 führt „eine besonders infame Robot-Aktivität auf. Die Impersonatoren, gemeint sind programmierte Scripte und Code, die mal ‘Lovebots’, ‘Socialbots’ und mal ‘Chatbots’ heißen, weil sie sich in den entsprechenden Foren als Menschen ausgeben, menschliches Verhalten simulieren und wie Menschen wirken.“4

Am Samstag, 9. Juni, gehen europaweit erneut Zehntausende auf die Straße, um für die Freiheit des Internets zu demonstrieren. In der kommenden Woche wird das Europäische Parlament
über ACTA abstimmen. Entgegen anders lautender Meldungen ist es längst nicht sicher, dass
das umstrittene Urheberrechtsabkommen dort scheitert. Zwar lehnten drei wichtige Parlaments-
ausschüsse ACTA am Donnerstag, 7. Juni, mit zum Teil äußerst knappen Mehrheiten ab. Doch weiterhin ist mehr als die Hälfte der wichtigen deutschen Abgeordneten unentschieden. Die Münchner Demo beginnt um 13 Uhr am Stachus und fordert ein modernes Urheberrecht im digitalen Zeitalter.

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Wand der Turnhalle des Karlsgymnasiums am Stadtpark 21 in Pasing


1 Siehe www.actamuc.de sowie Fotos von der Kundgebung auf www.youtube.com/watch?v=2asbRuMQ93E&feature=endscreen.

2 Foto © Volker Derlath

3 Siehe http://wiki.stoppacta-protest.info/DE:Uebersicht_Demos2 und www.campact.de.

4 Bernd Graff: „Sie sind da. Das Netz kommuniziert zunehmend mit sich selber. Nicht mit den besten Absichten“ in Süddeutsche Zeitung 107 vom 10./11. Mai 2014.

5 Foto © Volker Derlath

Überraschung

Jahr: 2012
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