Flusslandschaft 1963
Kapitalismus
Offenbar hat die Soziale Marktwirtschaft alle antagonistischen Widersprüche einer Klassenge-
sellschaft beseitigt. Nur noch wenige hegen einen Zweifel. Rolf Gramke schreibt unter dem Pseudonym „Resistor“.1
In beinahe jeder Familie, die es sich leisten kann, befindet sich das Spiel „Monopoly“. Einige Zeit-
genossen üben harsche Kritik am Spiel: Es übe in Verhaltensweisen ein, die das erfolgreiche Agie-
ren im Kapitalismus ermöglichen, und sei folglich in den Ländern des real existierenden Sozialis-
mus verboten.2 Andere widersprechen. Das Spiel sei, ähnlich wie der Kapitalismus, nur langweilig. Es törne nicht nur die Verlierer, sondern auch die Gewinner ab. Man müsse ewig im Kreise laufen und Vergnügen ergebe sich nur in einer sinnfreien Akkumulation von Kapital. Dies sei insofern zu begrüßen, da es den überall lauthals verkündeten Vorhang moralischer Verbrämung zur Seite ziehe und das nackte Wesen dieses Wirtschaftssystems zum Vorschein bringe.
„Dives aut iniquus aut iniqui heres — Der Reiche ist entweder (selbst) ein Gauner oder der Erbe eines Gauners.“ (lateinisches Sprichwort)
1 Siehe „Auch ein Beweis“ von Rolf Gramke.
2 Siehe „Was spielt Ihr da?“ von Rolf Gramke.