Flusslandschaft 1959

Kommunismus

Am 20. Oktober beantragt die Bundesregierung das Verbot der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) als eine „kommunistische Tarnorganisation“. 1965 wird das Verfahren einge-
stellt.

BRD und DDR bespitzeln sich, infiltrieren, durchsetzen, schleusen ein, unterwandern. Wie „ostzo-
nale Agenten“ sich an bundesrepublikanische Intellektuelle anwanzen, beschreibt ein Bericht, der vermutlich vom Bundesnachrichtendienst stammt. „Erich K.“ ist Erich Kästner, der erwähnte Pro-
fessor kann bis heute nicht identifiziert werden: „Ist jemand den Kommunisten auf irgend eine Weise aufgefallen, dann beginnt seine individuelle ‚Betreuung‘ … So freut sich dann etwa ein Münchner Universitätsprofessor, der über die mangelhafte Ausrüstung seines Instituts wiederholt Klage führte, dass ihn eines Tages ein Kollege aus der Sowjetzone besucht, ihm erzählt, dass er schon lange den Wunsch verspüre, mit dem Kollegen persönliche Beziehungen aufzunehmen, auch beiläufig von der vorzüglichen Ausrüstung seines Instituts an der sowjetzonalen Universität berich-
tet und seinen westdeutschen Kollegen recht herzlich zu einem Gegenbesuch und einer Gastvorle-
sung einlädt; selbstverständlich in aller Freundschaft und völlig unverbindlich. Und wie geschmei-
chelt muss sich der westdeutsche Professor fühlen, wenn ihn sogar eine Einladung der Akademie der Wissenschaften in Moskau oder Peking erreicht. – Den in München lebenden bekannten Schriftsteller Erich K. verfolgte ein ‚Spezialist‘ durch viele Monate. Zunächst las er im stillen Kämmerlein alle Werke K.‘s und suchte dann das Gespräch mit ihm. Da das Eindringen in die Wohnung des Schriftstellers sich als unmöglich und unzweckmäßig erwies, setzte der ‚Spezialist‘ sich an den Nebentisch, wenn K. im Café Freilinger arbeitete, ging ihm abends nach, wenn er in Begleitung seiner Sekretärin eine Bar am Kurfürstenplatz oder das Nachtlokal mit Damenring-
kämpfen in der Müllerstraße aufsuchte, und bestach ein Taxigirl, damit dieses die Bekanntschaft vermittle. – Es sei hier nicht mit Einzelheiten geschildert, ob und auf welche Weise der ‚Spezialist‘ bei K. Erfolg hatte. Festzuhalten sind nur zwei bemerkenswerte Tatsachen: 1. Der Schriftsteller K. unterzeichnete eine Petition des ‚Fränkischen Kreises‘, einer bekanntermaßen kommunistischen Tarnorganisation, und 2. setzte sich K. auf dem vorjährigen internationalen PEN-Kongress in Frankfurt für die Wiederaufnahme des ungarischen PEN-Zentrums in die internationale PEN-Organisation ein, unterstützte eine von der kommunistischen bulgarischen Delegation eingebrach-
te Resolution gegen den ‚Atomtod‘ und einen Ablenkungsprozess, der statt der kommunistischen Henker der ungarischen Freiheit die spanische Zensur anklagte.“1

Wer alles kommunistischen Verlockungen erlegen ist oder gar als Kryptokommunist tätig ist, wird in einer Liste geführt, die ebenfalls vermutlich vom Bundesnachrichtendienst stammt. Hier sind lediglich die verdächtigen Intellektuellen aus München und Umgebung aufgeführt: Prof. Dr. Auf-
hauser, Prof. Bele Bachem, Prof. Fritz Behn, Prof. Dr. Helmut Behrens, Fita Benkhoff, Prof. Dr. Carl Boettcher, Prof. Dr. Eduard Brenner, Prof. Dr. Hans Bronner, Prof. Otto Crusius, Prof. Franz Doll, Prof. Dr. Luitpold Dussler, Prof. Werner Eck, Leonhard Frank, Ernst Fritz Fürbringer, Prof. Dr. Dr. August Gallinger, Prof. Willi Geiger, Prof. Ernst Geitlinger, Prof. Hans Gött, Prof. Dr. F. Gottschalk, Olaf A. Gulbranson, Prof. Dr. W. Hartke, Prof. Max Hartmann, Prof. Dr. Adolf Hert-
lein, Prof. Friedrich Heubner, Prof. Dr. Walter Hieber, Prof. Hillebrand-Schumacher, Dr. Erich Kästner, Wolfgang Koeppen, Prof. Wilhelm Krauss, Prof. Dr. Willi Laatsch, Prof. Ernst Lieber-
mann, Peter Lühr, Prof. Dr. Alfred von Martin, Prof. Dr. Wolfgang Metzger, Prof. Dr. Carl Orff, Prof. Mara Pringsheim-Duvé, Heinz Hermann Reichenbach-Klinke, Prof. Dr. Hans Rheinfelder, Prof. Dr. K. Saller, Ruth Schaumann, Prof. Dr. Alexander Graf Schenk von Stauffenberg, Prof. Georg Schmid, Prof. Alfred Schmidt, Prof. Arnulf Schröder, Georg Schwarz, Prof. Dr. Viktor Struppler, Prof. Dr. Kurt Trautwein, Olga Tschechowa, Prof. H. Virl und Prof. Dr. Alois Wenzl2

(zuletzt geändert am 25.5.2020)


1 Verschwörung gegen die Freiheit. Die kommunistische Untergrundarbeit in der Bundesrepublik. Hg. von der Münchner Arbeitsgruppe „Kommunistische Infiltration und Machtkampftechnik“ im Komitee „Rettet die Freiheit“ [unter Mitarbeit von Hans Hartl], München (Frühjahr 1960), 125 f.

2 A.a.O., 137 ff.

Überraschung

Jahr: 1959
Bereich: Kommunismus