Materialien 1947

Hundhammer bleibt

Der „Münchner Merkur“ veröffentlichte unter dieser Überschrift in seiner Nummer 5 eine Unter-
redung mit dem bayerischen Unterrichtsminister über dessen Versagen in der Schulreform, das
in der Ablehnung zweier ungenügender Reformpläne Hundhammers durch die Militärregierung besteht. Der Minister wurde gefragt, „welche Folgerungen er aus der Ablehnung seines Schulplanes durch die Militärregierung ziehe“. Diese Frage ist selbstverständlich. Sie entspricht dem Gesetz der Demokratie, das von versagenden Ministern den freien oder erzwungenen Rücktritt erwartet. Sie entspricht auch der bis in die christlich-unionistischen Volkskreise hinein weit verbreiteten An-
schauung, dass Hundhammers Maß voll ist, so dass es nach seiner wiederholten und beschämen-
den Niederlage in der Schulreformfrage übergelaufen sei, und es jetzt selbstverständlich wäre, dass der Minister sein Amt für einen geeigneteren Nachfolger zur Verfügung stellte.

Statt dessen erklärt er: „Ich werde diesen Befehl als einen Befehl der Militärregierung durchfüh-
ren.“ Von einem demokratischen Minister, der geeignet und bereit ist, im Sinne der Militärregie-
rung das Schulwesen zu demokratisieren, wäre ein anderes Wort zu erwarten gewesen, so etwa: Ich werde aus meiner freien Überzeugung, dass unser Schulwesen demokratisiert und modernisiert gehört, die bayrische Schule reformieren. Das aber kann und will Herr H. offenbar nicht. Er stellt sich hin als Befehlsempfänger der Militärregierung und führt den Befehl „als Befehl“ durch, also als kommandierter Befehlsempfänger und nicht als interessierter Volksbildungsminister der De-
mokratie.

Rede, damit ich dich sehe! sagte Sokrates. Die Rede des Herrn H. lässt ersehen, dass ihm die Einsicht und der Willen zum zeitgemäßen Neubau des Schulwesens fehlt, und lässt dafür einen Willen sichtbar werden, der einem äußerlichen Zwang folgt und deshalb in begründetem Verdacht steht, dauernd bereit zu sein, diese Fessel abzustreifen. So ein Widerwille ist stets zur Umgehung eines Auftrages bereit und zur Benützung aller dazu geeigneten Methoden. Er kennzeichnet den Rückschrittler, dem das Organ fehlt für das, was Amerika an Erziehung und Bildung des deutschen Volkes für nötig hält, damit eine autoritäre und autokratische Regierung keinen Boden mehr habe.

Das kann man einesteils wohl verstehen. H. ist kein Fachmann auf dem Gebiete der Bildung. Wer Fachkenner ist, kann wohl konservativ sein, aber er hat in sich doch soviel Einsicht in das Bil-
dungsverlangen einer Zeitwende, dass er es einfach nicht fertig bringt, ihm durch den Hinweis auf einen autoritären Befehl und den entsprechenden Kadavergehorsam genügen zu wollen. Die Frage, ob denn CSU und Ministerpräsident nur einen Nichtfachmann aus dem Geschäftsleben für die so bedeutsame Staatsaufgabe der Volksbildung gehabt hätten, und die weitere Frage, ob ein Bildungs-
minister, der die Lösung dieser Aufgabe nicht aus eigenem Antrieb aufgreift, sondern aus äußerem Zwang in widerwillige Bearbeitung nimmt, nicht besser an der ihm sicher sympathischeren und naheliegenden Aufgabe eines Landwirtschaftsministers arbeiten würde, ist an die Gesamtregie-
rung, die CSU und an die bayrische Demokratie zu stellen.

Freilich fragt es sich weiter, ob diese Instanzen Macht über H. haben. „Ich habe nicht die Absicht zurückzutreten.“ Das ist sehr absolut gesprochen. Der Klebstoff, der ihn hält, muss stärker sein
als die genannten Zuständigkeiten. So geht das Problem darauf hinaus, ob dieser Klebstoff auch stärker ist als das Interesse der Militärregierung an einem reformfreudigen Bildungsminister.

Alpha
(i.e. Otto Graf)


Depositum Otto Graf, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1947
Bereich: SchülerInnen