Materialien 1963
Streng geheim …
Resistor erlauschte ein Gespräch
A:
Es ist die Pflicht jedes echten Demokraten, unsere freiheitliche Grundordnung vor allen subversiven, umstürzlerischen Elementen zu schützen.
B:
Jaja.
A:
Ist das alles, was Sie zu sagen haben?
B:
Nein. Ich bin nur misstrauisch, wenn jemand ganz allgemein von „Demokraten“ spricht, noch dazu von „echten“. Da ist mir zuviel Spielraum drin für die Phantasie des Einzelnen. Ist es vielleicht Privatsache, was sich einer unter „echten Demokraten“ vorstellt? Oder: was verstehen sie eigentlich unter „subversiven, umstürzlerischen Elementen“?
A:
Stellen Sie sich doch nicht dümmer, als Sie sind!
B:
Ist die Frage so dumm, was ein „echter Demokrat“ ist, ist die Frage dumm, was denn „subversive, umstürzlerische Elemente“ sind?
A:
Tun Sie doch nicht so, als ob Sie nicht wüssten, was ich meine.
B:
Vielleicht weiß ich, was Sie meinen. Aber ich meine mich zu erinnern, dass einmal der größere Teil unseres Volkes der festen Meinung war, dass Hitler uns in eine bessere Zukunft führen würde …
A:
Ach, Du lieber Gott soll das nun ein Argument sein?
B:
… es gibt auch Leute, die meinen, eine SPD-Regierung wäre der Untergang Deutschlands, es gibt Leute, die meinen, das „Wirtschaftswunder“ verdankten wir dem Bundeskanzler Adenauer, es gibt auch …
A:
Jetzt hören Sie doch auf … das gehört doch nicht hierher!
B:
Und was gehört Ihrer Meinung nach hierher?
A:
Wir haben von der Wühlarbeit gewisser Leute gesprochen.
B:
Sie haben davon gesprochen! Und ich wollte einmal Näheres über Ihre „subversiven Elemente“ hören.
A:
Was heißt hier „meine“? Sie wollen doch bestimmt nicht bestreiten, dass es in der Bundesrepublik eine Menge Agenten gibt, die für den Osten arbeiten.
B:
Nein. Natürlich nicht.
A:
Na und? Finden Sie das vielleicht gut?
B:
Ich finde es selbstverständlich.
A:
Aha! Für Sie ist das also eine Selbstverständlichkeit?!
B:
Klar. Der Osten hat Agenten im Westen, und der Westen hat Agenten im Osten!
A:
Aber, erlauben Sie mal. Sie müssen doch den Unterschied sehen!
B:
Seh’ ich ja. Die einen arbeiten für den Osten, und die anderen arbeiten für den Westen.
A:
Nun ziehen Sie die Sache doch nicht ins Lächerliche.
B:
Lächerlich finde ich, dass wir uns über so einfache und selbstverständliche Angelegenheiten überhaupt länger auslassen müssen.
A:
Das ist aber Ihre Schuld, denn Sie gehen auf meine Argumente einfach nicht ein!
B:
Von welchen Argumenten reden Sie denn? Ich will doch gerade Argumente. Was ich von Ihnen erwarte, sind Argumente!
A:
Bitte: Ich habe Ihnen eindeutig zu verstehen gegeben, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Teil der freien Welt bleiben muss und dass wir uns deshalb gegen alle Versuche von kommunistischem Terror mit allen Mitteln zu wehren haben, wenn wir den Anspruch auf ein Leben in einer freien Welt nicht selbst verwirken wollen.
B:
Aber ich nenne das eine Forderung oder eine Feststellung. Und diese Feststellung sollen Sie einmal begründen, Sie sollen Argumente bringen.
A:
Das ist doch kindisch! Alle Welt weiß, dass die Kommunisten fleißig in der Illegalität weiterarbeiten und dass sie eine Menge Hilfsorganisationen, oder, besser gesagt, Tarnorganisationen haben, die hier ganz legal für den Osten arbeiten, ohne dass der Verfassungsschutz etwas dagegen machen kann.
B:
Ich wüsste auch nicht was der Verfassungsschutz gegen Leute unternehmen sollte, die hier, wie Sie sagen, „ganz legal“ arbeiten.
A:
Ja, sehen Sie, das ist ja gerade das Heimtückische: Diese Leute arbeiten ganz legal, aber man weiß, dass sie für drüben arbeiten, dass sie im Auftrag des Ostens arbeiten. Dafür kriegen sie ja auch Geld von drüben.
B:
Aber ich bitte Sie! Wenn diese Leute für drüben arbeiten, wenn man weiß, dass sie von drüben finanziert werden, dann ist ihre Tätigkeit doch offenbar illegal, und wenn man, wie Sie sagen, weiß, dass sie illegal arbeiten, dann kann man doch gegen sie vorgehen.
A:
Ja, natürlich. Aber man muss den Leuten doch erst nachweisen können. dass sie dabei sind, unsere freiheitliche Ordnung zu unterhöhlen.
B:
So, wie im Falle des „Spiegel“, nicht wahr?
A:
Ja nun. Das hat ja auch einen Riesenskandal gegeben. Mit Recht!
B:
Ja, aber doch, weil hier nichts erwiesen war, weil nichts festgestellt war.
A:
Ja, ja! Aber das ist doch die Ausnahm!
B:
Nun gut. Halten wir uns nicht dabei auf. Ich hätte aber doch eine Frage.
A:
Bitte!
B:
Wäre es denn nicht auch möglich, dass man den Leuten, die Sie als „subversive Elemente“ bezeichnen, nichts nachweisen kann, weil es nichts nachzuweisen gibt, weil sie sich eben in Wirklichkeit nicht im Gegensatz zu den geltenden Bestimmungen befinden, weil sie tatsächlich nichts gegen die demokratische Grundordnung unternehmen?
A:
Aber machen Sie sich doch nicht lächerlich!
B:
Ja, sehen Sie. Jetzt sind wir wieder soweit wie vorhin. Ich muss Sie schon wieder um Argumente bitten. Ich muss Sie bitten, mir einmal konkret zu sagen, wie diese von Ihnen so oft angeführte „subversive Tätigkeit“ in der Praxis aussieht. Wie machen diese Leute das denn, dass sie, wie Sie meinen, unsere freiheitliche Grundordnung untergraben?
A:
Argumente? – Sie haben doch sicher davon gehört, dass ein führendes Mitglied der DFU freiwillig bekannt hat, dass Gelder für diese Partei aus dem Osten gekommen sind. Sie haben doch sicher davon gehört, dass die „Deutsche Woche“ ebenfalls von drüben finanziert worden ist.
B:
Ja, ich kenne die Geschichte.
A:
Na, also. Damit ist doch erwiesen, dass es sich in einem Fall um eine kommunistische Tarnorganisation handelt, und im anderen Fall um eine getarnte kommunistische Zeitschrift.
B:
Ich finde Ihre Schlussfolgerung zwar nicht überzeugend, aber es ist ganz gut, dass sie auf diese immerhin konkreten Vorfälle zu sprechen kommen. Tun wir also einmal so, als wäre die DFU eine kommunistische Tarnorganisation; bei der „Deutschen Woche“ brauchen wir uns nicht mehr aufzuhalten, denn die existiert ja nicht mehr.
A:
Warum sagen Sie: „Tun wir einmal so, als ob?“ Es ist doch so gut wie erwiesen, dass …
B:
Es könnte als erwiesen gelten, es könnte aber auch sein, dass die Finanzierung dar DFU von östlicher Seite noch nicht die Behauptung erlaubt, dass es sich deswegen um eine kommunistische Tarnorganisation handelt. Darum schlage ich eben vor, dass wir die Sache, als Modellfall sozusagen, so angehen, als sei eine subversive Tätigkeit erwiesen.
A:
Meinetwegen. Ich sehe zwar nicht ein, warum Sie da so feine Unterschiede machen wollen, aber es spielt wohl keine große Rolle.
B:
Wir gehen also des weiteren von der Annahme aus, dass kommunistische Tarnorganisationen die freiheitliche Grundordnung unserer Bundesrepublik unterhöhlen.
A:
Richtig.
B:
Meine Frage lautet nun wieder: wie machen das die Tarnorganisationen in der Praxis, wie, auf welche Weise unterhöhlen sie unsere freiheitliche Grundordnung?
A:
Indem sie für den Osten, für unseren Gegner also, arbeiten.
B:
Na gut. Und wie sieht das aus, wenn sie für den Osten arbeiten, wie sieht diese Arbeit aus?
A:
Na, Menschenskind, sie agitieren, sie ertreten dieselbe Politik wie der Osten, oder sie wollen uns zumindest eins politische Richtung aufreden, die dem Osten gerade so passen würde.
B:
Ja, aber was ist denn dagegen einzuwenden? Vom rechtlichen Standpunkt, meine ich. Unsere Art von Demokratie garantiert doch ausdrücklich das Recht, eine politische Meinung in Wort und Schrift zu vertreten, sich politisch zu organisieren, welcher Meinung man immer ist. Abgesehen davon: Wie soll denn eine kleine Partei, wie beispielsweise die DFU, unsere Demokratie gefährden? Sie hat doch allem Anschein nach gar keine Chance?
A:
Aber sie wird von den Kommunisten manipuliert!
B:
Da muss ich Ihnen aber erwidern, dass ich darin noch keine Gefahr für die Demokratie sehen kann, weil sich die von Ihnen behauptete Manipulation bisher als wenig wirksam erwiesen hat. Man könnte ja geradezu auf den Gedanken kommen, dass die politischen Vorstellungen der Kommunisten ziemlich albern sind, sonst hätten sie sich doch längst bemerkbar gemacht, d.h. durch eine schnelle Stimmenzunahme der DFU. Davon kann aber bisher keine Rede sein.
A:
Sie sind ja gut! Das ist es ja gerade! Darin liegt ja gerade das Wesen der subversiven Tätigkeit, dass sie sich an der Oberfläche überhaupt nicht bemerkbar macht!
B:
Aber, lieber Freund, welche Wirkung soll dann eine politische Agitation überhaupt haben, wenn sie sich nicht an der Oberfläche, also im politischen Leben, in der politischen Wirklichkeit bemerkbar macht?
A:
Sie verstehen das anscheinend nicht, oder Sie wollen es einfach nicht verstehen!
B:
Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, ich verstehe das wirklich nicht. Ich verstehe nicht, wieso eine politische Gruppe Wirkung haben kann, wenn sie nicht zur Wirkung kommt.
A:
Aber sie kommt doch zur Wirkung!
B:
Dann erklären Sie mir doch bitte, wie und wodurch
A:
Mit Hilfe vom Osten natürlich.
B:
Nun, ich gebe zu, dass Sozialisten, Marxisten, Kommunisten, oder auch deren Organisationen selbstverständlich eher vom Osten Geld bekommen können als von der „Bundeszentrale für Heimatdienst“. Aber am Geld kann es doch nicht liegen. Die katholische Kirche z.B. hat jede Menge Geld und wird vom Staat aufs beste unterstützt, aber sie verliert dauernd an Boden, an Einfluss, an Macht.
A:
Das mag schon sein. Aber es zwingt Sie niemand, in die Kirche zu gehen!
B:
Sie meinen, man könnte die Leute dazu zwingen?
A:
Nein, eigentlich nicht.
B:
Aber wie wollen dann z.B. die Kommunisten die Leute zwingen, Kommunisten zu werden?
A:
Ja, das machen sie natürlich erst, wenn sie an der Macht sind!
B:
Möglich. Nun sagen Sie mir aber endlich, wie die Kommunisten an die Macht kommen sollen, solange sie überwiegend auf Ablehnung stoßen!?
A:
Na, mit Gewalt natürlich!
B:
Aber ich bitte Sie, nun überlegen Sie mal genau: Gewalt ist doch kein überirdisches Etwas – sie muss doch ausgeübt werden von Menschen!
A:
Ja und? Es gibt doch die Funktionäre, die Agenten. die Mitläufer!
B:
Und das sind also Menschen (wenn ich Sie richtig verstehe), die da einen Trommelrevolver stecken haben, wo ein anständiger Mensch seine Brieftasche trägt? Die ballern dann wohl eines Tages – auf Kommando natürlich – wild drauf los, solange, bis sie die Macht haben?
A:
Ach, Unsinn! Das ist doch albern!
B:
Ja, aber Menschenskind. dann sagen Sie mir doch endlich, wie diese Leute an die Macht kommen sollen – das kann doch kein so unergründliches Geheimnis sein!
A:
Das werden die schon wissen!
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Schwarz auf Weiß (Heute) 6 vom Juni 1963, 4 ff.