Materialien 1987

Stahl, Beton, Stacheldraht ...

plattgewalzte Erde, soweit das Auge reicht! Wahrlich eine Gedenkstätte des Atomzeitalters!

Eine unserer Mütter beobachtete, wie die Polizisten mitten unter die Demonstranten liefen, in ihrer unmittelbaren Nähe wahllos einen jungen Mann aus der Menge zerrten und auf brutalste Weise mit dem Schlagstock auf seinen Kopf einschlugen. Als er am Boden lag, vollkommen wehrlos, warf sich der Polizist auf ihn und schlug ihm ins Gesicht.

Gegen ½5 Uhr beschließen wir langsam zum Bus zurückzugehen. Plötzlich umarmen sich neben mir auf dem Gehsteig ein junges Paar, und wenn ich nicht zufällig hörte, wie das Mädchen mit einer von Entsetzen gekennzeichneten Stimme gesagt hätte: „Wie siehst Du denn aus, wie haben sie Dich denn zugerichtet?“, dann wäre ich wohl vorbeigegangen ohne etwas zu bemerken, denn zu diesem Zeitpunkt liefen schon viele wieder zu den Autos und Bussen. So sah ich also einen jungen Mann, der Mundart handelte es sich eindeutig um einen Einheimischen, dem das Blut auf alle Kleider tropfte, im Bart, von der Nase. Ihm wurde ein Zahn ausgeschlagen, er weinte und war ziemlich aufgewühlt. Er erzählte seinen Freunden, dass er, ohne etwas getan zu haben, ohne Vorwarnung, geschlagen wurde. Ich war so entsetzt, ich weinte ebenfalls.

Wir unterhalten uns mit einer Familie am Ort. Sie erzählt uns, dass sie froh wären, dass wir gekommen sind, allein würden sie den Widerstand niemals schaffen. Sie berichteten uns, dass der ganze Ort bespitzelt wird, wenn Gäste mit fremden Autokennzeichen zu Besuch wären, dann müssten sie mit Hausdurchsuchungen rechnen. Die Spaltung in Befürworter und Gegner geht durch den gesamten Ort und durch den Alltag.

Bevor wir in den Bus einsteigen, verschwinden wir im Wald. Angesichts kranker Bäume und der zu erwartenden, weiteren Umweltschädigung, denke ich an meine Kinder und eventuelle Kindeskinder. Ob sie sich noch in den Wald zurückziehen können? Mich entsetzen immer wieder die Vorstellungen, dass Politiker, die einfache Dinge nicht sehen wollen, nichts kapieren, Prestigeobjekte in die Landschaft knallen, Umweltrisiken in Kauf nehmen. Deshalb bin ich der Meinung, der Widerstand gegen die WAA und andere menschenfeindliche Projekte muss weitergehen, so lange, bis die Politik wieder den Menschen nützt und nicht schadet.

Unterwegs hören wir die 18-Uhr-Nachrichten. Natürlich geht es hauptsächlich um Gewalttaten.

Zuhause im Fernsehen das gleiche: Schlagstöcke und Kampfgetümmel. Die fast 25.000 friedlichen Bürger am Bauzaun sind nicht zu sehen.


Manuskript, Sammlung Mütter gegen Atomkraft, Cornelia Blomeyer.

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: Atomkraft