Materialien 1963

Was spielt Ihr da?

Als ich kam, saß er mit seiner Familie beim Spiel. Sie kauften und verkauften – Häuser, Grundstücke, Hotels, Bahnhöfe, Elektrizitätswerke. Alles, was in der Wirtschaft vorkommt. Nach einer Weile war es Peter, der älteste Sohn, der den Rahm abschöpfte. Die anderen konnten machen, was sie wollten: sie mussten zahlen. „Wie heißt das Spiel“, fragte ich. – „Monopoly“. – „Bei dem Namen fehlt das ‚ismus’“, sagte ich. Mein Freund sah mich missmutig an: „Du mit Deiner Politik!“ Verbissen spielten sie weiter. Doch so sehr sie sich auch mühten, sie mussten aufgeben. Der Peter hatte schließlich alles in Besitz genommen.

„Ziemlich echt“, sagte ich. „Auch beim großen Monopoly bleibt nur einer übrig. Die andern zahlen drauf.“ Alle sahen ein bisschen bedrückt aus. Selbst Peter, der Gewinner, schien nicht recht befriedigt. „Streiks sind dabei aber nicht vorgesehen“, fragte ich. Mein Freund sah mich nur schief an. Er wollte nichts wissen von Politik. „Einmal Kapitalist sein?“ sagte ich leichthin. Felix, der Vierzehnjährige, grinste. Die anderen schwiegen.

„Was verdienst Du eigentlich in der Stunde“, fragte ich. Unsicher schaute mein Freund mich an: „Drei Mark fünfundsiebzig. Warum?“ – „Dann hast Du keine Chance“, sagte ich. – „Keine Chance – wobei?“ – „Beim großen Monopoly“, sagte ich. „Da kannst Du nur zahlen.“ Felix lachte und stimmte mir zu. „Was weißt Du Grünschnabel denn davon“, wies ihn sein Vater zurecht.

Das ist aus meinem Freund geworden. Abends spielt er mit seiner Familie „Monopoly“. Tagsüber spielt man mit ihm Monopolismus.

Wie lange noch?

Resistor, i.e. Rolf Gramke


Heute 2/1963.

Überraschung

Jahr: 1963
Bereich: Kapitalismus