Materialien 1993

„Krimi – kurz vor dem Mord“

Zum Artikel „Kernspaltung bei MOX“ – Anhörung vom 20. Januar:

Ergänzende Beobachtungen zu Ihren Berichten von seiten einer Einwenderin: In der riesigen Schwabenhalle herrschte Blaulicht – blaue Decke, graublaue Wände, blaue Türen, blaue Tücher, dunkler Boden (wie im Krimi kurz vor dem Mord).

Wie bedrückend sich das Licht auswirkte, fiel mir auf, als ich aus der Halle heraustrat – um so mehr, da draußen die Sonne schien. Ich hatte das Gefühl aufzublühen. Die Wissenschaft hat recht: Blaues Licht, dem Rot und Gelb fehlt, wirkt sich psychisch negativ aus. Es macht depressiv bis aggressiv und mindert die Konzentrationsfähigkeit. Keine guten Voraussetzungen für eine Erörterung, bei der konzentriert und ohne Aggression Wissen ausgetauscht werden soll.

Alle waren von dieser Beleuchtung betroffen, auch Frau Böhm-Amtmann mit ihren Schäfchen, zu denen sie leider die Antragsteller zu zählen schien. Diese durften rechts von der Behörde sitzen – privilegierte Gäste. Wir, die Einwender, die schwarzen Schafe anscheinend, wurden in 20 Meter Entfernung und hinter geschlossener, angeschraubter Tischbarrikade von der Behörde weit weggehalten – zu weit. Nicht einmal die Gesichter waren klar zu erkennen.

Alleinige Gewalt über die Mikrophonanlage (soweit sie technisch funktionierte) hatte Frau Böhm-Amtmann, und sie nützte diese Macht immer im richtigen Augenblick. Sie unterbrach stets im entscheidenden Moment. Konsequent machte sie eine Erörterung unmöglich, würgte ab, was den Einwendern Chancen gab. Sie stellte sich gar schützend vor die Antragsteller, so dass diese nicht antworten mussten.

Psychologisch gut geschult – leider aber war Frau Böhm-Amtmann nicht neutral. Schade! Herr Gauweiler war’s zufrieden, laut SZ. Ich selbst fühlte mich entmündigt. Ich habe bedauert, dass sich eine Frau Böhm-Amtmann zum Werkzeug machen ließ, um die Interessen der Atomlobby zu begünstigen.

Marie Göring-Wikullil
Pöckinger Straße 9
8130 Starnberg

Süddeutsche Zeitung vom 24. Februar 1993.