Flusslandschaft 2012

Wohnen

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Im Bündnis Bezahlbares Wohnen sind zusammengeschlossen: Aktionsgruppe Untergiesing e.V., Initiative „Bezahlbares Wohnen“ Schwanthaler Höhe, Initiative D11 Hackenviertel, IWAP Inte-
ressengemeinschaft Wohnanlagen am Perlacher Forst und Tegernseer Landstrasse e.V.
, Mün-
chen, MG Karl-Marx-Ring 28 – 42 Neu-Perlach, MG Liebergesellblock Elisabeth-, Zentner- und Horscheltstraße Schwabing, MG Thorwaldsenstraße 6 Maxvorstadt, MG Türkenstraße 52 + 54 Maxvorstadt, Mieterinitiative Haderner Stern und Mieterverein bundeseigene Wohnanlage München-Nord e.V.2

9. Januar: „Wieder einmal wird ein Großprojekt ohne nennenswerte Bürgerbeteiligung mitten in München geplant – wiedereinmal geht etwas Wertvolles verloren. So oder so ähnlich kann man die Situation an der Leopoldstraße 152 – 194 beschreiben. Wir sind auf ein Beispiel aufmerksam ge-
macht worden, das für viele das Schwabing der 70′er Jahre widerspiegelt und bald verloren scheint, denn mitten in Schwabing plant die Jost Hurler Beteiligungs- und Verwaltungsgesell-
schaft GmbH & Co. KG
ein Großprojekt namens ‚Schwabinger Tor’. Das Bauvorhaben umfasst nicht nur ‚klassische Familienwohnungen’ und ‚luxuriöse Eigentumswohnungen’, sondern auch Büros, Konferenzräume und ein 5*-Hotel. Im Zuge des Großprojekts soll nun auch das Yellow Sub, eine alte ungenutzte Disco und Teil des legänderen Schwabylons, diesem Projekt weichen. Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Aufruf der Presseagentur Intervox sowie anderer Kultur-
schaffender, die das Yellow Sub nicht einfach abgerissen sehen wollen …“3

Die Initiative ESSO-Häuser aus Hamburg St.Pauli und das Hamburger Bündnis Mietenwahnsinn stoppen statten am Montag, 5. März, dem Sitz der Bayerischen Hausbau in München einen Be-
such ab. „Aktivist_innen aus den Hamburger und Münchener Netzwerken ‚Recht auf Stadt’ sowie der Fanszene beider Städte haben vor der Zentrale der Bayerischen Hausbau protestiert, in Form eines symbolischen Abrisses vor der Geschäftsstelle, ausgestattet mit Baggern und einer Abrissbir-
ne. Ein öffentliches Gespräch mit den Aktivist_innen lehnte Hr. Taubenberger, Pressevertreter der Bayerischen Hausbau, jedoch ab. Die Bayerische Hausbau hatte Anfang Februar in Hamburg den Dialog mit den Mieter_innen aufgekündigt und will nun gegen den Willen der Mieter_innen und der Lokalpolitik den Abriss forcieren. Die Initiative ESSO-Häuser fordert hingegen den Erhalt der Bausubstanz …“4

Freitag, 25. Mai: Etwa dreihundert Mieterinnen und Mieter demonstrieren vor dem Finanzmini-
sterium dagegen, dass der Freistaat seine Anteile des einst staatlichen Wohnungsunternehmens GBW AG, 10.000 Wohnungen in München und 33.000 Wohnungen in ganz Bayern, an einen privaten Investor verkauft.

Genossenschaftliches Wohnen ist seit über hundert Jahren eine Alternative zum so genannten freien Wohnungsmarkt mit Miet- bzw. Eigentumswohnungen. Genossenschaften wirtschaften solidarisch und teilen sich die Unkosten. Einen Nachteil haben manche Genossenschaften: Eine Großgenossenschaft, deren Gründung einer komplizierten Prozedur unterliegt und der viele Häuser gehören, lässt einzelnen Hausprojekten wenig Spielraum. Zusätzlich unterliegt sie der beständigen Kontrolle des Genossenschaftsverbandes und wird in ihren Entscheidungen schwer-
fällig. Ein neues Modell, das in den 70er Jahren entstand, bildet die Mietshäuser-Syndikat GmbH. „Voraussetzung für die Aufnahme eines Hausprojekts in den Syndikat-Verbund sind Selbstorga-
nisation, Ausschluss der Vermarktung durch Vetorecht des Syndikats, Verpflichtung zum Solidar-
transfer und zur Weitergabe von Know-how.“ Geschäftspartnerin des Syndikats ist die Gemein-
schaftsbank Leihen und Schenken
(GLS-Bank). Das Haus Ligsalzstraße 8 ist das erste bayrische Projekt beim Mietshäuser-Syndikat.5 – Mit dieser Kritik am Genossenschaftsmodell ist die WOGE-
NO München eG
, eine Genossenschaft mit dem Anspruch auf selbstverwaltetes, soziales und öko-
logisches Wohnen, nicht einverstanden. Die Genossenschaft bleibt mit ihren über die Stadt ver-
teilten Häusern – es sind über ein Dutzend – überschaubar und beweglich; sie lässt ganz unkomp-
liziert auch dezentrale Entscheidungen zu.6

„Im Fokus unserer Emissionen befinden sich Zielfonds, die überwiegend Opportunity-Strategien in Form von Projektentwicklungen oder Investitionen mit höherem Wertsteigerungspotential verfol-
gen. Bei opportunistischen Immobilieninvestitionen lässt sich die Wertsteigerung durch ein aktives Management realisieren, zum Beispiel durch die Entwicklung oder Sanierung eines Immobilien-
projektes oder ein aktives Vermietungsmanagement, etwa durch die Erhöhung der Vermietungs-
quote oder der Mietpreise. Diese Fonds erzielen ihren Gewinn demzufolge nicht vorwiegend aus dem Halten oder Bewirtschaften, sondern aus der Wertschöpfung durch die Veräußerung der Im-
mobilie und haben ein dementsprechend höheres Risiko. Aber wir wissen: Höheres Risiko gleich höhere Rendite.“ So etwa erläutert der Fachmann dem Anlagesuchenden sein verlockendes Ange-
bot. Allein schon seine Sprache verrät seine innere Haltung … Ein verzweifelter Brief erreicht Richy Meyer am 21. November: „… Das ist uns heuer passiert – Mietervertreibung aus dem St.-Benno-Viertel. Nachdem bei uns in der Loristraße nach 50 Jahren die Postbindung weggefallen war, ging das Anwesen an eine Immobilienfirma zur Luxussanierung. Nur noch die Wände bleiben stehen, um dann überall Marmor und Edelstahl zu verarbeiten. Erstes Resultat: die Wohnung entweder kaufen für 608.000,- Euro oder mieten für 1.400,- Euro monatlich. Da mussten wir passen, woll-
ten in unsrem Alter nicht mehr kämpfen, denn so leicht rausschmeißen nach 44 Jahren könnte man uns nicht. Von zehn Parteien sind nur noch vier im Haus. Mal sehen, wie lang sie es aushal-
ten. Zweites Resultat: wir zahlen jetzt fast drei mal so viel Miete wie vorher, 11 Euro pro Quadrat-
meter, 1.100,- Euro inklusive Nebenkosten. Eine 3-Zimmer-Wohnung unter 1.000.- Euro ist im Münchner Westen nicht zu finden. Unsere neue Anschrift in Laim lautet …“


1 Grafik: Bernd Bücking. In: Garnreiter/Schubert/Schuhler/Selinger, Grüne Wende. Neue Farbe oder neues System? Unterwegs in die Ökokatastrophe? Elemente einer echten Energiewende, globale Klimagerechtigkeit, isw-Report Nr. 91, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e.V., Dezember 2012, 13.

2 Siehe www.bezahlbares-wohnen.de.

3 www.rechtaufstadtmuc.wordpress.com/

4 A.a.O.

5 Siehe www.syndikat.org.

6 Siehe www.wogeno.de.

Überraschung

Jahr: 2012
Bereich: Wohnen