Flusslandschaft 1962

Kommunismus

Am 18. September 1961 verkündete ein Musterurteil des Bundesgerichtshofes Verbotsanträge gegen „linke“ Vereinigungen mit folgender Definition der kommunistischen Ersatzorganisation: „Eine Ersatzorganisation ist ein Personenzusammenschluss, der anstelle der aufgelösten Partei deren verfassungsfeindliche Nah-, Teil- oder Endziele ganz oder teilweise, kürzere oder längere Zeit, örtlich oder überörtlich, offen oder verhüllt weiterverfolgt oder weiterverfolgen will.“ Damit droht auch der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) das Verbot. Überall werden Kommunisten oder vermeintliche Kommunisten gejagt. Jupp Angenfort (1924 Düsseldorf – Düsseldorf 2010), ehemaliger Bundesvorsitzender der FDJ und KPD-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, jetzt Mitglied des Politbüros der verbotenen KPD wird am 28. Februar verhaftet; am 4. April gelingt ihm die spektakuläre Flucht aus dem Justizgebäude Maxburg.

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Die Münchner VVN protestiert am 1. April auf dem
Perlacher Friedhof gegen das drohende Verbot ihrer Organisation.

Am 29. November findet der Verbotsprozess gegen die VVN statt. Antifaschistische Prozessbeobachter im Zuschauerraum protestieren lautstark und mit Dokumenten gegen die Zusammensetzung des höchsten Verwaltungsgerichts, dessen Präsident schon als Nazijurist tätig war. Der Prozess wird unterbrochen und nie wieder fortgesetzt.

Klassenbewusstsein ist selten. Wer klassenbewusst ist, weiß, dass der Gegner im eigenen Lande steht. Sein Feind ist nicht der italienische Bauer, die russische Fabrikarbeiterin, die französische Taxifahrerin oder der polnische Bergarbeiter. Sein Gegner ist der, der Nutzen aus seiner Arbeitskraft zieht und gleichzeitig mit großem Propagandaaufwand davon ablenkt. Wer klassenbewusst denkt, weiß, dass die Formel „Wir sitzen alle in einem Boot“ eine faustdicke Lüge ist.2


1 Archiv der VVN München

2 Siehe „Die Feinde sind unter uns“ von Rolf Gramke.

Überraschung

Jahr: 1962
Bereich: Kommunismus