Materialien 1990
Zufälle
Als stets mehr auf der Strecke blieben
die Vögel, weil man Gift gesprüht,
hat eine Frau ein Buch geschrieben
von dem verstummten Frühlingslied.
Drin standen keine Wachstumslieder:
Man dachte über Vögel nach
und nannte gar sie kleine Brüder,
fast so, wie einst Franziskus sprach.
Dann – Zufall – war bekannt geworden
ein Meisterfilm in aller Welt,
drin Vogelhorden Menschen morden,
der alles wieder richtig stellt.
Atomtests dann, wenngleich entfernte,
entfachten Angst vor’m Overkill; –
„Wie ich die Bombe lieben lernte“
war doch ein schönes Fernseh-Spiel.
Als immer öfter Fische starben,
zigtausendweis’, wohl durch Chemie,
Seehunde angeätzt verdarben,
gab’s Emotionen, irgendwie,
dass unter Wasser Freunde leben,
verschwistert menschlichem Gedeih;
da kam, grad recht, durch Zufall eben
noch mal ein Film: „Der weiße Hai“.
Dann waren öfter zu beklagen,
meist abwindseits (und grade hier)
von einigen Atomanlagen
Fehlbildungen bei Mensch und Tier.
Zwar Wissenschaftler, hochbezahlte,
beschworen, was nun mal monströs,
hätt’ nie Bezug zu dem, was strahlte
und trotzdem blieb das Volk nervös.
Doch Filme weiteten die Blicke,
mit Monstern, süß und lieb, das half;
und über allem thront zum Glücke
der „überird’sche“ Schweinskopf Alf.
So spielt der Zufall, uns zum Heile
mit Kunst und Kenntnis, Witz und Pracht
und kehrt zum holden Gegenteile,
was Pessimisten miesgemacht.
So wahr, als nie noch eigennützig
die Mächtigen die Kunst bemüht,
ist Panikmacher, aberwitzig,
wer hier Zusammenhänge sieht!
Gerhard Döring
Mütter Courage. Zeitung der Mütter gegen Atomkraft 2/1990, 28.