Materialien 1988
Rede gegen die WAA XIII
Christine Hopf für die Haarer Eltern gegen Atomkraft
Rede, gehalten in Neunburg v. Wald am Donnerstag, 21. Juli 1988,
anlässlich der Anhörung zum 2. Genehmigungsverfahren der WAA
Sehr geehrter Herr Mauker, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, mein Name ist Chri-
stine Hopf.
Ich spreche für die Haarer Eltern gegen Atomkraft. Wir sind eine Bürgerinitiative, die sich nach Tschernobyl zusammengefunden hat. Ich möchte hier im Namen unserer Gruppe eine Feststellung treffen und einige Fragen stellen.
1)
Die Feststellung: Wir sind betroffen.
Wenn ich richtig unterrichtet bin, so sagten Sie, Herr Mauker, zu Beginn dieser Anhörung, dass nur die Oberpfälzer wirklich betroffen seien von dieser WAA. Wir können diese Meinung nicht teilen. Haar bzw. München liegt ungefähr 200 km von Wackersdorf entfernt. Wie sollten wir nicht betroffen sein!
Wir sind betroffen als Hausfrauen und Mütter, denn wir werden wohl auch in Zukunft Salate, Karotten, Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte ohne Herkunfts- und Ortsangabe – und ohne Becquerel-Angabe! – kaufen müssen.
Wir sind betroffen als Mitmenschen, weil wir heute schon mitfühlen mit jenen, die sich einer, von den Betreibern bewusst einkalkulierten Schilddrüsenoperation unterziehen müssen.
2)
Wir fragen:
Welche Interessen sind es, die die Aufsichtbehörden und zuständigen Ministerien unseres Staates blind machen gegenüber den gesundheitlichen Gefahren insbesondere für die Kinder und Jugend-
lichen, die ebendiesen Staat einmal fortführen und tragen sollen?
In einer Sendung des BR vor etwa 4 Wochen hatten die Antragsteller die Gelegenheit darzulegen, inwiefern sich unsere zukünftige WAA Wackersdorf positiv unterscheidet von den berühmt be-
rüchtigten WAAs in Sellafield und in La Hague. Bezeichnenderweise nannten sie nur die größere Sicherheit für das Bedienungspersonal. Alles andere blieb unerwähnt. Das heißt: Auch wir müssen also in Wackersdorf mit einer statistisch signifikant erhöhten Leukämierate rechnen!
Wir fragen Sie deshalb:
Wir fragen Sie als Vertreter des Umweltministeriums ganz konkret: Wie passt es zu Ihrer Aussage von der „umfassenden“ Sicherheit, wenn Sie es zulassen, dass die Schilddrüse eines Säuglings 3 1/2 mal so stark belastet wird, wie es nach der Strahlenschutzverordnung erlaubt ist?
Sie sagten zuvor, dass Forschungsergebnisse stets einfließen, dass die Sicherheit stets fortgeschrie-
ben wird. Wie können Sie es dann verantworten, dass radioaktiver Kohlenstoff nicht zurückgehal-
ten wird, obwohl er erwiesenermaßen in die menschliche Nahrung und in den menschlichen Kör-
per eingebaut wird?
Wir fragen Sie weiter:
Wie passt es zu Ihrer Aussage von „umfassender“ Sicherheit, dass das radioaktive Edelgas Kryp-
ton, das schwerer ist als Luft, und für das es noch keine wirksame Rückhaltemethode gibt, dass dieses Krypton in Bodennähe abgelagert wird, dass es in landwirtschaftliche Produkte rings um Wackersdorf eingelagert wird? Wie passt es zu Ihrer Aussage von „umfassender“ Sicherheit, dass radioaktives Jod 129 (Halbwertszeit 16 Millionen Jahre!), wie es typischerweise aus WAAs und nicht aus AKWs entweicht, dass sich dieses Jod auf dem Boden, dem Gras, dem Gemüse rings um Wackersdorf abscheidet?
Wir fragen:
Was verstehen Sie unter „umfassender“ Sicherheit? Zum Schluss bitten wir Sie um eines: Wenn Sie heute und in den folgenden Wochen uns Müttern und anderen Einwendern zuhören – schotten Sie sich nicht ab, hören Sie nicht nur hin – hören Sie zu! Wenn Ihnen das gelingt, dann können wir si-
cher sein, dass die WAA nicht genehmigt wird.
Mütter gegen Atomkraft e.V. (Hg.), Reden gegen die WAA, München 1988, 26 f.