Materialien 2012
Kundgebungsrede
anlässlich der Proteste gegen den Beförderungs-Appell am 29. Juni 2012 in München
Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner
Das Militärspektakel, das heute hier in aller Öffentlichkeit zelebriert wird, soll, wenn es nach dem CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer geht, zu einem „klaren und öffentlichen Bekenntnis für unsere Streitkräfte“ werden, zu einem Bekenntnis für die Kriegseinsätze Deutschlands. Darum geht es der politischen und militärischen Führung unseres Landes.
Weil es zu den weltweiten Auslandseinsätzen der Bundeswehr so gut wie keine Zustimmung in der Bevölkerung gibt, sind die Spitzenpolitiker der staatstragenden Parteien – allen voran der neue Bundespräsident – verzweifelt darum bemüht, mehr Rückhalt an der „Heimatfront“ zu bekommen.
Deshalb werden wieder Ehrenkreuze verliehen, Heldengedenkfeiern und öffentliche Gelöbnisse veranstaltet. Und diesem Zweck dient auch die heutige Offiziersbeförderung. Sie wird als Propa-
ganda-Show inszeniert – als eine Reklame für den Krieg.
Wir, die wir zu den heutigen Protesten aufgerufen haben, lehnen diese staatlich organisierte Verherrlichung des Soldatentums entschieden ab. Wir lehnen alle Propaganda-Auftritte der Bundeswehr und jede Kriegsverherrlichung ab.
Dieses militärische Schauspiel hier im Münchner Hofgarten verdient weder Beifall noch schweigende Zustimmung – sondern den lautstarken Protest.
Die in ihrer Ausgeh-Uniform herausgeputzten 600 Offiziersanwärter, die heute ihre Beförderungs-
urkunde erhalten, werden in den zukünftigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr Befehle erteilen und Befehle durchzusetzen, Befehle zum Töten, Befehle zum Mord. Dafür wurden sie ausgebildet.
Ginge es nach dem Grundgesetz, dann müsste diese Bundeswehr auf der Stelle aufgelöst werden, denn mit Landesverteidigung haben die weltweiten Militäreinsätze Deutschlands nicht das Geringste zu tun.
Die Zielsetzungen für den Einsatz der Bundeswehr sind geradezu atemberaubend verfassungswidrig und völkerrechtsfrei.
Um die Bundeswehr in Marsch zu setzen, muss weder die Bundesrepublik, noch einer ihrer NATO-
Verbündeten von irgend einem Land militärisch bedroht werden. Krieg wird dann geführt, wenn
er den eigenen wirtschafts- und machtpolitischen Interessen dient. Seit Jahren schon ist das der regierungsoffizielle Auftrag für die Bundeswehr.
Bundeswehrrichtlinien werden zwar immer noch schönfärberisch als „Verteidigungs-Politische Richtlinien“ bezeichnet, tatsächlich aber steht dort schon seit Jahren in aller Offenheit und Klarheit:
„Landesverteidigung entspricht nicht mehr den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen“. Stattdessen sei die Bundeswehr heute „unverzichtbares Instrument, um die Interessen Deutsch-
lands und seinen internationalen Einfluss zu wahren“ und ebenso unverblümt werden nackte Wirtschaftsinteressen, wie die Sicherung des ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen und Handelswegen zur zentralen Aufgabe der Bundeswehr erklärt.
Exakt zu diesem Zweck wird die Bundeswehr seit Jahren für weltweite Militärinterventionen umstrukturiert und zugerichtet. Für ihre weltweiten Einsätze soll die Bundeswehr schneller, flexibler und robuster werden.
Auch die militärischen Beschaffungsprogramme dienen ausschließlich dazu, die globale Einsatz- und Kriegsfähigkeit der Bundeswehr zu steigern und direkt vor unserer Haustür wird der Krieg trainiert.
Ein zentraler Ort dafür ist das GÜZ. Das GÜZ ist das Gefechtsübungszentrum, das die Bundes-
wehr, bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt betreibt. Es ist der modernste Truppenübungsplatz Europas. Hier wird Krieg geübt, ausprobiert, vorbereitet.
Derzeit wird dort eine moderne Großstadt nachgebaut, mit U-Bahn, einem Flughafen, einer Innen- und Altstadt, mit Plattenbauten, Industrie- und Elendsvierteln – „eine Stadt die überall auf der Welt stehen könnte”, sagt der Leiter des Gefechtsübungszentrums Oberst Michael Matz. Hier findet das Kampftraining für die Auslandseinsätze der Bundeswehr statt.
Vom Häuserkampf bis zum Panzergefecht, mit Laserwaffen, Rauchbomben und Kunstblut werden hier die militärischen Fähigkeiten für jedes denkbare Kriegsszenario erprobt.
Antimilitaristen aus der ganzen Bundesrepublik werden dort vom 12. bis 17. September ein Protestcamp errichten, an dem wir uns beteiligen sollten. Infos: www.WarStartsHereCamp.org
Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,
Politiker und Bundeswehrkommandeure werden heute im Hofgarten wieder salbungsvolle Reden halten. Sie werden der Öffentlichkeit die altbekannten Märchen von den westlichen Werten, von Freiheit und Menschenwürde auftischen und sie werden die tapferen Bundeswehrsoldaten – vielleicht mit den Worten von Bundespräsident Gauck als „Mutbürger in Uniform“ loben – „Mut-
bürger“, wie etwa Bundeswehroberst Klein, der in Kunduz den Befehl zur Bombardierung von zwei Tanklastern gab …
Mit dieser sogenannten Wertegemeinschaft, die sich durch Krieg am Leben hält, will ich und wollen wir nichts zu tun haben.
Wir werden uns mit ihrer Politik, die in die Katastrophe führt, nicht abfinden. Die Kriegsableh-
nung, der Protest und der Widerstand dagegen wird weiter wachsen und alle Militärpropaganda, alle ihre schönfärberischen Selbstdarstellungen und ihre Kriegsrechtfertigungen werden auf Dauer daran nichts ändern.
Dafür werden wir sorgen.
Und immer mehr Menschen werden auch begreifen, dass die Bundeswehr nicht zur Verteidigung da ist, sondern allein den Zweck hat, deutsche Großmachtinteressen – die Interessen einer kleinen Minderheit durchzusetzen und dass deshalb diese Bundeswehr abgeschafft werden muss.
Claus Schreer
Münchner Lokalberichte 14 vom 5. Juli 2012, 5.