Flusslandschaft 2003
Kapitalismus
Der Sozialstaat ist angeblich an seine Belastungsgrenze gekommen. Das neoliberale Credo lautet allüberall, dass ein schlanker Staat es dem Markt schon selbst zu überlassen hätte, wie er sich re-
guliert. Es kommt zu einem grundlegenden Bruch, zu einer historischen Mission im beginnenden 21. Jahrhundert, die eine schwarz-gelbe Regierung niemals hätte erfüllen können, die allein eine rot-grüne Bundesregierung angeht, indem sie den nachholenden Modernisierungsschub des Kapi-
talismus entfesselt durch Entgrenzung der Arbeitszeiten, Radikalisierung der Ausbeutungsverhält-
nisse und Neuregulierung und Entrechtlichung des Arbeitsmarktes – und dies mit dem kleinst-
möglichen Widerstand seitens der Lohnabhängigen. Und die Stadt München ist eigentlich pleite. Die sieben im DAX notierten Konzerne zahlen keinen Cent Gewerbesteuer.
„In der Schweiz und anderswo — / Im Nest sitzen / die sauberen / ehrenwerten / Raubvögel / des Kapitals. / Zuhause werden / fein säuberlich / die Bilanzen / und Gewinne / poliert, / während wegen / dieser Geschäfte / Millionen Menschen / verhungern / und in Kriegen / umgebracht wer-den. — / Wer sich nicht / in dieses / fein säuberliche Nest / hineinsetzt, / wird als / Nestbeschmut-zer / beschimpft.“ Wolf-Dieter Krämer nach einem Vortrag von Jean Ziegler am 27. Februar beim Forum Republik in Dachau
„Someone once said that it is easier to imagine the end of the world than to imagine the end of ca-
pitalism.“2
(zuletzt geändert am 5.9.2023)
1 Grafik: Bernd Bücking. In: Bernd Bücking/Fred Schmid, Steuern. Lust der Konzerne und Reichen, Last der Arbeitnehmer und Verbraucher, Leid der Städte und Gemeinden, Grafikdienst Nr. 9, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München, August 2003, 7.
2 Frederic Jameson: „Future City“ In New Left Review 21/2003, 12.