Flusslandschaft 2002
Stadtviertel
Auf dem Kongress „Die Soziale Stadt – Zusammenhalt Sicherheit, Zukunft“, der am 7. und 8. Mai in Berlin stattfindet, sagt OB Ude: „… Boomtown ist als oberflächlicher Befund richtig, ändert aber nichts daran, dass es die Kehrseite, nämlich eine wachsende neue Armut und natürlich auch pro-
blembeladene Viertel gibt – wobei ich unmittelbar anschließen kann an meine Frankfurter Kolle-
gin Petra Roth, dass nicht die Zuwanderung das Problem ist. Wir haben ein Viertel direkt hinter der weltberühmten Bavaria mit dem höchsten Ausländeranteil in München, in Grundschulklassen weit über zwei Drittel. Dort sind weder besondere Konflikte, noch besondere Problemlagen festzu-
stellen, sondern im Gegenteil, hier besteht tatsächlich eine reizvolle multikulturelle Szene. Pro-
blemgebiete, die wir für das Projekt ‚Soziale Städte’ vorgeschlagen haben, schauen ganz anders aus: Es sind Sozialbaureviere der 60er-Jahre, in denen im Wesentlichen heute noch die damals einge-
zogenen Parteien leben, also eine weit überalterte Bevölkerung. Es handelt sich um ein Viertel ohne lebendige Infrastruktur, weil es sich nicht rechnet, dort Filialen zu eröffnen; auch soziale An-
gebote sind spärlich, und Jugendliche, wenn es sie gibt, stehen ohne entsprechende Betreuungs-
angebote auf der Straße. Dort verstärkt jede frei werdende Wohnung das Problem des Minderwer-
tigkeitskomplexes oder des schlechten Images des Viertels. Denn natürlich wird jede frei werdende Wohnung vom Wohnungsamt für die dringlichsten Fälle in Anspruch genommen. Und dies sind nun einmal Ausländerhaushalte mit vielen Kindern oder Personen mit mehreren Handikaps, die auch entsprechend sozial auffällig in Erscheinung treten. Als das größte Problem nennt die ortsan-
sässige Bevölkerung die Wohnungsvergabe, eben weil diese an die dringlichsten Fälle erfolgt und nicht an aufstrebende Mittelschichten, die man lieber im eigenen Viertel hätte. So ist das Revier noch nicht gekippt, wie Stadtsoziologen sagen würden, aber man sieht eine Abwärtsbewegung, eine Verschlechterung des Ansehens, eine Weigerung von potenziellen Erwerbern, dort durchaus at-
traktive und preisgünstige Eigentumswohnungen zu kaufen. Diese müssen wie Sauerbier angebo-
ten werden, während ansonsten in der gesamten Stadt eine wahnsinnige Nachfrage fast ohne ra-
tionale Preiskontrolle herrscht. Diese Reviere haben wir auch. Und deshalb hat sich die Stadt München schon 1999, als hier in Berlin das Programm vorgestellt wurde, um Projekte beworben, und davon will ich auch erzählen.“1
1 Zit. in Dieter Liebig: „Das Programm ‚Soziale Stadt’ in der Boomtown München“ In: MIT LINKS 4 vom Juli 2003, 13 ff. (www.dielinke-muenchen-stadtrat.de/nc/dokumentation/archiv/browse/1/artikel//mitlinks/)