Materialien 1968

Wen soll man 1969 in den Bundestag wählen ?

Stellungnahme bayerischer Kommunisten zur Vorbereitung der Bundestagswahl 1969

Diese Frage wird uns oft gestellt. Wir Kommunisten meinen, alle oppositionellen Demokraten und Sozialisten sollten sich zusammentun und eine eigene Wahlalternative schaffen. Die vergangenen Wochen des außerparlamentarischen Kampfes gegen die Notstandspolitik haben die Kräfte dafür sichtbar gemacht.

Alle, die sozialen und demokratischen Fortschritt in der Bundesrepublik anstreben, sollten sich jeder auf ein Minimalprogramm zu den kommenden Bundestagswahlen einigen. Wir Kommunisten sind dazu bereit und rufen andere dazu auf. Dieses Bündnis kann nach unserer Auffassung nur auf der Gleichberechtigung aller Partner beruhen.

Den Wahlkampf darf man nicht jenen Parteien und Meinungsmachern überlassen, die den Volkswillen manipulieren und die Wähler irreführen. Eine Wahlalternative der oppositionellen Demokraten wird sich von den anderen Parteien vor allem dadurch unterscheiden, dass die Wahrheit über die wirkliche Lage der Bundesrepublik verbreitet und gleichzeitig ein gangbarer Ausweg aufgezeigt wird.

Wahr ist: die CDU/CSU, nicht willens und nicht fähig, die Forderungen der arbeitenden und studierenden Menschen nach Mitbestimmung und anderen Gesellschaftsreformen zu erfüllen, hat in der Vergangenheit alles getan zur Wiederherstellung der alten Macht- und Besitzverhältnisse in der Bundesrepublik und des ihnen entsprechenden Obrigkeitsstaates.

Wahr ist: die Koalitionsparteien haben „im Namen des Volkes“ Notstandsgesetze gegen das Volk geschaffen. Sie haben die beschworene Verfassung gegen den Willen des Volkes geändert. Die restaurierte Macht des Großkapitals am Rhein erhielt mit der Notstandsgesetzgebung die „eiserne Faust“ gegen jede Opposition. Damit ist der Weg zur Gleichschaltung der Gewerkschaften und zu „griechischen Verhältnissen“ geöffnet, wenn die „Sonne der Konjunktur nicht mehr scheint“. Auch die geplante Wahlrechtsmanipulation soll die etablierte Macht erhalten.

Wahr ist: die reaktionäre Großmachtpolitik der CDU/CSU hat das schwer erarbeitete Aufbau-
werk in der Bundesrepublik erneut in Krisengefahr gebracht. Die Sorge um den Arbeitsplatz ist nach der Krise 1967 größer geworden. Strauß verlangt erneut Konsumverzicht. Strauß und die bayerische CSU-Führung waren und sind Wortführer der Restauration. Sie zählen zur extremsten Gruppe der Rüstungs- und Finanzmächte. Es ist kennzeichnend für die CSU, dass sie Milliarden für die Rüstung verpulvert, aber Bayern zum Land des zurückgebliebensten Bildungssystems degradierte. An der CSU haftet der „Mief von tausend Jahren“. Auch Bauern, die früher den Sprüchen der CSU glaubten, fühlen sich heute durch die Bonner Agrarpolitik in ihrer Existenz bedroht. Tausende gingen auch in Bayern auf die Straße und forderten den Rücktritt von CSU-
Ministern.

Wahr ist auch: dass sich die CDU/CSU-Regierung nach der Regierungskrise 1966 nur noch mit Hilfe der SPD-Spitze halten kannte. Der Widerstand der SPD-Mitglieder und –Wähler gegen die große Koalition wurde vom SPD-Vorstand ignoriert. Als Eintrittspreis ins Kabinett brachten die SPD-Minister obendrein nach die Zustimmung zu den Notstandsgesetzen und zur Wahlrechts-
manipulation mit.

Viel versprochen – viel gebrochen! Dies gilt auch für die große Koalition. Ist es ein Wunder, wenn die SPD eine Wahlniederlage nach der anderen einstecken muss und Millionen
von Wählern den Versprechungen der SPD nicht mehr glauben? Auch die Enttäuschung vieler Gewerkschafter über die SPD hat ihren guten Grund.

Eine neue Kraft der demokratischen Opposition, auf die Verlass ist, muss ins Parlament:

Um was geht es? Statt „schillernder“ Worte müssen endlich die überfälligen Reformen, vor allem zur Mitbestimmung in Staat, Wirtschaft und Bildungswesen auf die Tagesordnung von Parlament und Regierung. Das Verbot der KPD und alle Repressionen gegen andere Kreise der außerparla-
mentarischen Opposition sind aufzuheben.

Damit soziale Symmetrie und soziale Sicherheit Realität werden können, muss Schluss gemacht werden mit der alten Weise in Bonn: wer viel hat, dem wird mehr gegeben. An die Stelle des Einflusses des Großkapitals muss der Wille des Volkes treten.

Rüstungsmilliarden müssen sofort gekürzt und die Milliarden-Zuschüsse an die USA, die eine indirekte Hilfe für den schmutzigen Krieg in Vietnam sind, sofort gestoppt werden.

Damit Europa und Deutschland nicht länger in Spannung und Kriegsgefahr leben, brauchen wir eine wirklich neue Ost- und Deutschland-Politik. Der Verzicht auf die Alleinvertretungsanmaßung Bonns und die Anerkennung der DDR gehören genau so dazu, wie die Anerkennung der Grenzen und die Unterschrift unter den Atomsperrvertrag.

Regierung und Parteispitzen in Bonn verniedlichen die Gefahr des Neonazismus in der Bundesre-
publik. Dies dient der NPD. Die NPD spricht aus, was reaktionäre Politiker in Bonn zwar denken, aber noch nicht sagen können. Die NPD geht mit sozialer und nationaler Demagogie auf Stim-
menfang. In Wirklichkeit ist sie sozialreaktionär und chauvinistisch. Sie muss weg!

Wir wissen um die ernste Sorge vieler Sozialdemokraten gerade in dieser Frage. „Was ist, wenn wir eine Koalition CDU, CSU mit der NPD haben? Dann graust mir vor den Notstandsgesetzen!“ hört man oft von SPD-Funktionären.

Die Missachtung des Wählerwillens darf nicht länger geduldet werden. Demokratie „im Namen des Volkes“ bedarf neben dem Parlament ständiger außerparlamentarischer Aktivität und Kontrolle. Eine Fraktion von oppositionellen Demokraten und Sozialisten, die sich nicht vom Großkapital manipulieren lässt, wäre eine Stütze für alle, die echten sozialen und demokratischen Fortschritt wollen.

In diesem Sinne erklären wir unsere Bereitschaft zur gemeinsamen Diskussion über eine Wahl-Alternative für die Bundestagswahlen 1969 und rufen auch Sie dazu auf.

München, Anfang Juli 1968

Donhauser Randolf
Vertrauensmann und Vertreter der IG. Metall – Ehemaliger Kreissekretär der KPD
München 19, Hilblestraße 30

Feldmann Werner (36)
Werkzeugmacher – DGB-Ortskartellvorsitzender
Eichenau, Dornröschenweg 5

Schneider Hans (46)
Handelsvertreter – Ehemaliger Kreissekretär der KPD
Augsburg, Jakoberstraße 51

Hankofer Ludwig (42)
Buchbinder – Mitglied des Landesvorstandes der IG. Druck und Papier
– Ehemaliger 2. Landessekretär der KPD
München 27, Buschingstraße 45

Koller Hans (41)
Angestellter – Betriebsrat, Vertreter der IG. Metall
– Ehemaliger Betriebsgruppensekretär der KPD
München 19, Volkartstraße 75

Schoofs Theo (39)
Kraftfahrer – Mitgl. d. Ortsverwaltung der IG. Bau, Steine, Erden
– Ehemaliger Kreissekretär der KPD
Waltershofen / Post Meitingen

Högemann Jörg (33)
Journalist
München 82, Dachsteinstraße 10

Baumgärtner Willi (53)
Verlagsvertreter – Ehemaliger Stadtrat der KPD
Augsburg, Kazböckstraße 18

Scheringer Richard (64)
Landwirt – Ehemaliger Landesvorsitzender der KPD
Kösching/Obb., Am Dürrnhof

Stöckl Andreas (41)
Werkzeugmacher – Betriebsratsvorsitzender, Vertreter der IG. Metall
– Ehemaliger Kreissekretär der KPD
München 13, Milbertshofener Straße 47

Verantwortlich: Die oben genannten Unterzeichneten – Druck: G. Beyerlein, Augsburg


Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Abeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1968
Bereich: DKP/KPD