Materialien 2013
Ein Schrei der Revolte
Die Revolte in dem Abschiebelager in Milbertshofen
Wenn Aufstände ein Bruch mit dem Bestehenden sind, ein Aufbegehren gegen verschiedene Herr-
schaftsaspekte, dann sind Revolten eine gemeinsame und plötzliche Rebellion mit oft jähem Ende. Obwohl diese Möglichkeit, die Möglichkeit gemeinsam zu rebellieren, in München anscheinend komplett verschleiert und vergessen ist, konnte man am Donnerstag, den 28. Februar, einen nicht allzu leisen Schrei der Revolte vernehmen.
Dieser Schrei hatte seinen Ursprung in der „Gemeinschaftsunterkunft“ für Asylbewerber_innen in der Bayernkaserne in Milbertshofen. Wobei Gemeinschaftsunterkunft ein ziemlich irreführendes Wort ist, da diese Lager keine Orte sind, in denen Menschen freiwillig leben, denn es handelt sich vielmehr um knastähnliche Gebäude, in welchen Personen, die aus anderen Ländern aus verschie-
densten Gründen geflohen sind, gezwungen werden zu warten. Warten auf die Bearbeitung des Asylantrags, warten bis irgendein Bürokratie-Arsch entschieden hat, ob es dir „schlimm genug“ geht und ob du arbeitstauglich bist, damit du hier bleiben darfst und dich hier ausbeuten lassen kannst. Oder eben warten auf den Tag, wo man von Bullen abgeholt wird, um gewaltsam zurück dorthin abgeschoben zu werden, wovor man geflohen ist. Zu dieser ständigen Unklarheit kommen die Schikanen des Wachpersonals, ein erbärmliches Taschengeld pro Monat und der ständige Ras-
sismus, welcher alle Bereiche unserer Gesellschaft durchdringt. Anscheinend haben sich einige Menschen entschlossen, all das nicht weiterhin ruhig hinzunehmen und die Wut immer wieder herunterzuschlucken, sondern gegen diese Bedingungen zu rebellieren …
Am Abend des 27. Februar beobachteten angestellte Wachen der Firma „BWS-Sicherheit“ gegen 23 Uhr, wie eine Person eine Scheibe der „Unterkunft“ einschlug. Daraufhin flüchtete diese Person ins Gebäude, konnte aber von den Securities im Vorbereich des Gebäudes eingesperrt werden. Der Ju-
gendliche machte jedoch durch Schreien die anderen Bewohner_innen des Lagers auf sich auf-
merksam, worauf ihm diese zur Hilfe kamen. Mit abgebrochenen Stuhlbeinen und Metallrohren der Hochbetten versuchten diese die gefangene Person zu befreien. Die Aufrührer drehten den Spieß um und zerstörten Teile der Einrichtung und zwangen die Securities dazu abzuhauen und sich in einem Büro zu verbarrikadieren. Daraufhin riefen die Mitarbeiter_innen der Sicherheits-
firma die Bullen, die mit zwei Streifenwagen anrückten. Diese wurden jedoch auch attackiert, mit Gegenständen beworfen und ebenfalls zum Rückzug gezwungen. Die befehlenden Jäger wurden zu Gejagten, die gehorchenden Eingesperrten zu aufsässigen Revoltierenden. Für einen Moment be-
sitzen die Bullen und Wärter_innen nicht mehr die Macht, den Lauf der Dinge zu bestimmen. Für einige Atemzüge ist nichts mehr beim Alten und alles scheint möglich …
Doch als mehr Bullen anrückten, hatten sich die Randalierer_Innen schon in das Gebäude zurück-
gezogen. Bei der darauffolgenden Hausdurchsuchung wurden 29 Jugendliche festgenommen, ge-
gen drei von ihnen wurde ein Haftbefehl erlassen. Diese drei saßen auch für einige Tage in Unter-
suchungshaft und haben jetzt Anzeigen wegen „gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung“ am Hals.
Diese Revolte zeigt wieder einmal, dass es immer und überall möglich ist zu rebellieren und mit dem Bestehenden in Konflikt zu treten. Sei es in den Straßen Ägyptens, in den französischen Banlieus, in dem Krawall erfahrenen Griechenland oder eben genau hier. Wir erkennen uns und unser Verlangen nach Freiheit in dieser Revolte wieder, wie wir uns in jeder Rebellion gegen die unzähligen Facetten der Macht und Unterdrückung wiedererkennen. Das nicht, weil wir die Re-
voltierenden persönlich kennen, das ist unwichtig, genauso wenig geht es uns um die einzelnen Personen und ihre Geschichte, sondern um ihre Taten. Darum, nicht alles zu schlucken und über sich ergehen zu lassen, sondern sich mit Leuten zusammen zu tun und zum Angriff überzugehen. Wir erkennen uns in der Zerstörung des Gebäudes wieder, als physischem Ausdruck von allem, was uns einzwängt und einsperrt, in der Attacke auf die Securities und Bullen und genauso in dem Versuch, die Person, die die Scheibe eingeschlagen haben soll und eingesperrt wurde, zu befreien. Genauso kennen wir diesen Staat, diese bestehende Ordnung und ihre Verteidiger_innen, die, auch wenn es unter unterschiedlichen Umständen und in verschiedenen Ausprägungen geschieht, genauso uns in ein soziales Gefängnis unter offenem Himmel einpfercht, jede rebellische Regung bestraft, bändigt und uns Normen, Gesetzte und Machtstrukturen aufzwingt, die wir nicht wollen und nie gewollt haben.
Doch wir werden nie nach einer Bewilligung oder Einverständniserklärung gefragt werden …
… also machen wir unmissverständlich klar, was wir von der uns umgebenden Situation halten!
Revolten sind überall und immer möglich! Machen wir kaputt, was uns kaputt macht!
Auf dass der Schrei der Revolte immer lauter wird und nie mehr verstummt.
Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung