Flusslandschaft 2013
Olympische Spiele
Am 10. November kommt es zum Bürgerentscheid über die Bewerbung für die Olympischen Win-
terspiele 2022. Befürworterinnen und Befürworter der Bewerbung können für ihre Kampagne auf beträchtliche finanzielle Mittel zurückgreifen, KritikerInnen1 dagegen haben es schwer, für ihre Gedanken breitere Aufmerksamkeit zu bekommen:
Worin liegt eigentlich der Sinn, dass jahrelang hochgezüchtete Körpermaschinen um hundertstel Sekunden bzw. wenige Zentimeter kämpfen, getrimmte und getunte Bodys, die längst den Status der Amateure verlassen haben? Noch nicht einmal der Hinweis auf lustvolle Gefühle bei der Be-
trachtung des Kampfs um Medaillen überzeugt. Nichts ist schneller vergessen als sensationelle Siege oder bittere Niederlagen in Disziplinen des Hochleistungssports.
Sehen wir uns die Teilnehmer der Spiele genauer an, entdecken wir oft seelisch beschädigte Men-
schen, die ihr ganzes Leben auf das einzige ehrgeizige Ziel ausrichten, teilnehmen zu dürfen und die Medaille zu erringen. Sie unterwerfen sich der „führenden Hand“ der Sportmediziner und der Trainer, sie erfüllen die Vorgaben der Sponsoren und bedienen die mediale Öffentlichkeit. Mit einem Wort: Sie verhalten sich durch die Bank angepasst. Welcher Staat wünscht sich nicht den Spektakel mit systemkonformen Akteuren auf den Bühnen und systemkonformen Zuschauern auf den Rängen?!
Volker Ritter meinte schon 1972 angesichts der Olympischen Spiele in München, die Spiele seien „ein primär politischer Demonstrationsakt, ein primär wirtschaftliches Ereignis. Präziser: ein Mittel für die Repräsentation politischer Strukturen, ein nützliches Vehikel für die umsatzbesorgte Wirtschaft. Olympische Spiele, ursprünglich auf selbständigen, unpolitischen Charakter einge-
schworen, werden zunehmend in mannigfaltigen Dienst genommen. Sie sind zu einer nützlichen Institution geworden, die Hilfsdienste leistet. Eine Institution, die die alten Formeln und Ideen nur noch mitschleift.“ Denn eigentlich geht es um lukrative Geschäfte, um viel Geld und damit aufs engste verbunden um Einfluss in der Politik.
Befürworter bringen als „Argument“ immer den Impuls für Modernisierungsschübe, wenn neue Sportstätten gebaut werden. Aber, um nur ein Beispiel zu nennen: U- und S-Bahn wären auch ohne die Spiele von 1972 gebaut worden, vielleicht einige Jahre später, vielleicht mit anderen Strecken-
führungen. Tatsächlich ist es ein Armutszeugnis für Politiker und Stadtplaner, wenn sie Olympi-
sche Spiele benötigen, um notwendige Verbesserungen der Infrastruktur anzugehen.
Natürlich lösen die Winterspiele einen erneuten, international wirkenden Werbeeffekt aus, der München-Boom wird weiter angeheizt, der Zuzug nimmt weiter zu und damit natürlich das Mietpreisniveau.
1,5 Milliarden sollen die Winterspiele 2022 kosten. Dabei sind die Schulden der Öffentlichen Hand immens. An vielen Orten fehlt Geld für notwendige Sanierungen. Und da sollen wir alle dafür zahlen, dass ein Abfahrtsläufer eine Millisekunde schneller den Abhang hinunter rast als sein Konkurrent? Nicht zuletzt berappt der Steuerzahler sämtliche Nachfolgelasten. Wie immer werden auch hier die Gewinne privatisiert, die Schulden sozialisiert.
Schließlich wird der völkerverbindende Anspruch durch vorprogrammierte und vermarktete Er-
folge, Medaillenspiegel und Nationenwertung aufgehoben. Dass die Spiele friedensstiftend sein sollen, bleibt nur ein frommer Wunsch.
Miesepetrige Spaßbremsen üben ja immer Kritik und vermasseln uns das angenehme Lebensge-
fühl. Deshalb hier noch ein konstruktiver Vorschlag: Wir Deutsche sind doch bekannt dafür, dass wir gerne helfen. Ob unsere Hilfen für Griechenland bis jetzt bei den Richtigen angekommen sind, ist zu bezweifeln. Tatsächlich würden wir den Griechen helfen, wenn wir uns dafür einsetzen würden, dass die Olympischen Spiele in Zukunft immer in Griechenland abgehalten werden. Die benötigten Sportstätten sind schon vorhanden, das Klima ist im Sommer so angenehm, dass die Wettkämpfe, wie es ja in der Antike einmal war, auch pudelnackert bestritten werden können. Und für Winterspiele sind genügend schneebedeckte Berge vorhanden. Endlich würde die ganze Welt das Land wieder positiv wahrnehmen.
Baron Pierre de Coubertin, Initiator der Olympischen Spiele der Neuzeit, meinte einst: „Das erste und wesentlichste Merkmal des alten wie des neuen Olympismus ist es, eine Religion zu sein.“ Tatsächlich geht es hier um Glaubensfragen und deshalb können Gegenargumente meistens nichts ausrichten.
Trotzdem ist die Entscheidung am 10. November eindeutig. In allen vier Kommunen, in denen abgestimmt wird, gewinnen die Gegner der Spiele die Mehrheit. Den Befürwortern ist die Ent-
täuschung ins Gesicht geschrieben.
1 Siehe „Offener Brief an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München“ von Rüdiger Tresselt, „Deine Stimme gegen die Spiele“ und www.nolympia.de/