Flusslandschaft 2014
Umwelt
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Beim Alten Nordfriedhof in Schwabing
Am 11. Januar protestieren ca. 35 Mitglieder der greenpeace-Jugend aus dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik auf dem Marienplatz gegen die Wegwerfmentalität dieser Gesellschaft. Sie wollen das Jahr 2014 als das „Europäische Jahr gegen Lebensmittelverschwendung“ mit einem Straßen-
theater unter dem Motto „Ich bin Kein Müll – holt mich hier raus“ beginnen lassen. In 13 sauberen Mülltonnen, die von der Stadt zur Verfügung gestellt wurden, sitzt jeweils ein Aktivist. Eine Aktivi-
stin steht mit einem Megafon daneben: „40 bis 50 Prozent der Kartoffelernte …“ Darauf hin gehen die Mülltonnen auf, und die Aktivisten skandieren: „… landen im Müll.“ Megafon: „Hier wird ver-
schwendet …“ Aus den Tonnen: „Dort wird gehungert.“ Nik von der Münchner greenpeace-Ju-
gend: „In der EU werden jedes Jahr pro Kopf 179 Kilogramm noch verwendbare Lebensmittel weggeschmissen. Das darf so nicht weiter gehen. Es liegt an jedem selbst, diese Zahl zu minimie-
ren.“
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will die Energiewende ausbremsen. „Zu Zehntausenden füllten wir vor drei Jahren die Straßen und zwangen Kanzlerin Angela Merkel, acht Reaktoren auf einen Streich abzuschalten. Sie musste die verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke zurücknehmen. Jetzt sind wir wieder gefragt und müssen unsere geballte Kraft aufbringen!“ Daher finden am 22. März in sieben Landeshauptstädten, darunter auch in München, Demonstrationen statt. Es spre-
chen: Richard Mergner, Bund Naturschutz, Babs Günther, Bayern-Allianz für Atom Ausstieg und Klimaschutz, Karin Wurzbacher, Umweltinstitut und Jochen Stay von ausgestrahlt. Für die Kultur sorgen Sambarene – die Sambisten aus Gundremmingen, Hans Well und die Wellpappn sowie 4 miles west aus dem Fürstenfeldbrucker Land.2
Am 24. Mai versammeln sich Aktivisten weltweit, um gemeinsam gegen Monsanto und Konsorten zu protestieren. Nach Veranstaltungen mit Millionen Menschen im Jahr 2013 (in 450 Städten welt-
weit) geht es am 24. Mai auf dem Stachus in München in Runde drei! „Weshalb demonstrieren wir? Für nachhaltige Konsumgüter statt Monopolisierung! Wissenschaftliche Studien haben ge-
zeigt, dass der Konsum von Monsantos genetisch veränderten Lebensmitteln zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden wie Unfruchtbarkeit, Krebs und Missbildungen bei Neugeborenen führt. Vor kurzem wurde vom U.S. Kongress und Präsident Barack Obama ein Gesetz verabschiedet, welches es Monsanto ermöglicht, sich über gerichtlich angeordnete Verkaufsstopps ihres Saatgutes hinwegzusetzen. Die FDA (Food and Drug Administration), zuständig für den Schutz der öffentli-
chen Gesundheit in den USA, besteht aus einem Grossteil aus ehemaligen Monsanto Führungs-
kräften. Wir sehen dies als einen höchst bedenklichen Interessenkonflikt, welcher auch das Fehlen staatlich finanzierter Studien zu Langzeiteffekten von genetisch veränderten Lebensmitteln erklärt. Monsanto profitiert schon viel zu lange von staatlichen Subventionen und Vetternwirtschaft. Während Kleinbauern und Bio-Betriebe um ihr Überleben kämpfen, sichert sich Monsanto Patent-
rechte auf sämtliches genetisch modifiziertes Saatgut und den gesamten Prozess der Gentechnik und festigt so seine Monopolstellung als globaler Nahrungsmittel-Lieferant. Monsantos genetisch modifiziertes Saatgut bedroht unser Ökosystem massiv. Studien zeigen klare Zusammenhänge zwischen von Monsanto verwendeten “Neonikotinoiden Pestiziden” und dem weltweiten Bienen-
sterben und dem Kollaps von ganzen Bienenvölkern. Was schlagen wir also vor? Boykottierung sämtlicher Firmen, welche Eigentum von Monsanto sind oder die Monsantos genetisch modifizier-
te Nahrungsmittel verwenden! Kein Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen in Form von Saatgut-
patenten (herkömmlich oder transgen) an Großkonzerne wie Monsanto, BASF, Nestlé & Co. Keine Monopole auf Wasser und Leben! Die Deklaration von genetisch modifiziertem Saatgut in sämtli-
chen Lebensmitteln! Die relevanten Punkte im “Monsanto Protection Act” müssen für ungültig erklärt werden! Wir fordern weitere wissenschaftlichen Studien zu gesundheitlichen Folgen von GMOs! Monsantos Führungskräfte sowie Politiker, welche Monsanto unterstützen, müssen durch direkte Kommunikation, Graswurzel-Journalismus, soziale Medien etc. zur Verantwortung gezo-
gen werden! Die Öffentlichkeit muss weiterhin über die geheimen Machenschaften des Konzerns informiert werden! Mit diesen Forderungen und Vorschlägen gehen wir auf die Strasse, um ein Zeichen zu setzen, dass wir Monsantos kriminelles und ungerechtes Gebaren nicht weiter hinneh-
men werden! Wir gehen weltweit auf die Straße – für nachhaltige Konsumgüter statt Monopolisie-
rung. Keine EU-Politik gegen die eigenen Bürger! Es ist Zeit für eine KonsumrEvolution mit dem Geldbeutel, denn jeder kann hier mitentscheiden! Erkennt es endlich: der Verbraucher hat die Macht!“4
Es gibt auch Stimmen, die die ‚Konsum-rEvolution‘ kritisch sehen: „Auf dem vielfach verteilten Hauptflugblatt wurde das Geldausgeben mit der Stimmabgabe bei Wahlen verglichen. Die Füh-
rungskräfte im Politbetrieb, also die, die in der Demokratie die Meinung des ‚demos‘ verkünden und im Gewand des so geschaffenen Konstruktes ‚Volk‘ herrschen, vermitteln ständig, dass die Menschen übers Wählen die Politik bestimmen. Warum aber ist dann die Politik so scheiße? Sie bringt den meisten Menschen vor allem Probleme und weicht in ihrer Praxis von den in Umfragen ermittelten und in Parteiprogrammen zu Werbezwecken eingefügten Wünschen der Wählenden stark ab. Das ist also genauso wie die Wahl am Ladenregal: Die Menschen kaufen, kaufen, kaufen – und sind für Umweltschutz, fairen Handel usw. Doch das Ergebnis des Kaufens ist ein Desaster – für Mensch um Umwelt.“5
Ein Discounter wirft täglich etwa 45 kg Lebensmittel in den Müll. „Containern“ oder auch „Müll-
tauchen“, die systematische Ernährung aus Supermarktabfällen, wird jetzt auch bei uns immer beliebter. Dabei geht es weniger um kostenlose Selbstversorgung, sondern um Protest gegen eine Wegwerfgesellschaft, in der Massenangebote künstliche Nachfragen steigern, in der unökologisch produziert und verteilt wird und in der Profit vor Qualität geht. „Containerin“ Celine M.: „Ich habe Freunde in Alméria besucht. Die Verhältnisse auf den Tomatenplantagen dort sind absolut abartig. Die Arbeiter, die meist aus Marokko kommen, wohnen in heruntergekommenen Baracken. Von den chemischen Pflanzenschutzmittel , die beim Tomatenanbau zum Einsatz kommen, haben sie Ausschläge. Viele der Arbeiter werden davon sogar unfruchtbar. Und hier bekommt man spanische Tomaten zum Spottpreis …“6 Die Supermärkte versuchen das „Containern“ zu verhindern. Klar, wer sich aus dem Müll bedient, kauft nicht mehr ein.
Am 21. September findet die größte Klima-Demo aller Zeiten mit Hunderttausenden Menschen weltweit statt. Auch in München versammeln sich 500 und demonstrieren durch die Innenstadt.7
»Statt auszubeuten, wegzuwerfen, neu zu kaufen und Wachstum anzukurbeln, gibt es die Möglich-
keit zu reparieren, zu tauschen, zu teilen, zu reduzieren oder die Wertigkeit der Nahrung und der Dinge zu erlernen oder neu zu schätzen, indem man z.B. seine Nahrung anbaut, seine Sachen selber instandsetzt.« Nicht nur deshalb findet am 11. Oktober – 12 Uhr – Rindermarkt die Demon-
stration der konsumrEvolution gegen Monsanto und weitere Umweltzerstörer statt.8
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Auf einem Automobilhinterteil gesehen am 11. Oktober in der Sonnenstraße
Freitag, 17. Oktober: Radldemo von Critical Mass München von 20 – 21 Uhr. Treffpunkt Bavaria. Critical Mass ist eine kreative Form des Straßenprotests, bei der sich mehrere – sprich: so viele wie möglich! – Fahrradfahrer scheinbar zufällig treffen, um auf ihre Gleichberechtigung gegenüber dem motorisierten Verkehr aufmerksam zu machen. Sie ist desorganisiert, antihierarchisch und hat keine Verantwortlichen. Alle können mitradeln! „Wir blockieren nicht den Verkehr, wir sind
der Verkehr! In diesem Sinne, schwingt euch auf die Sättel und wir fahren gemeinsam durch Münchens Straßen. Alle nicht-motorisierten Vehikel sind willkommen – ob Damenrad, Fixie, Rennrad oder Klapprad; ob Rikscha, Dreirad, Einrad oder Velomobil: Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!“10
Der 8. Netzwerk21Kongress, der bundesweite Fortbildungs- und Netzwerkkongress für lokale Nachhaltigkeitsinitiativen, findet vom 23. bis 24. Oktober im Tagungszentrum Kolpinghaus München, Adolf-Kolping-Straße 1, statt.11
Mittwoch, 5. November: Über www.change.org versucht der niederbayrische Azubi Fabian Lehner, die Deutsche Post dazu zu veranlassen, ihre an jedem Wochenende millionenfach verschickte Werbesendung nicht mehr in umweltunverträgliche Plastikfolie einzuschweißen. Um 10.30 Uhr bringt er Kartons mit knapp 140.000 gesammelten Unterschriften in die Verwaltung des Unter-
nehmens in der Arnulfstraße 195. Beim anschließenden dreistündigen runden Tisch mit den Post-
Gewaltigen wird Lehner von den BUND-Experten Hartmut Hoffmann und Johann Meindorfer unterstützt. Ein kleines Zugeständnis wird erreicht: Die Post testet gerade eine Folie, die zu 50% aus Altfolie besteht, und die Gespräche gehen weiter.12
Hinter den Kulissen wird derzeit heftig darum gerungen, ob über 20 Kraftwerke auf einen Streich abgeschaltet werden. Nach Medienberichten erwägt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel genau dies. Doch die Kohlelobby läuft dagegen Sturm. greenpeace und campact protestieren mit einem Laternenumzug am Samstag, 8. November, um 15.00 Uhr vor der Bayerischen Staatsoper am Max-Joseph-Platz 2.
Zum Weltklimatag am Samstag, 6. Dezember, ruft ein breites Bündnis zur Kundgebung von 11 bis 14 Uhr auf dem viktualienmarkt neben der Hl.-Geist-Kirche auf: „Seit 1995 findet jährlich eine UN-Klimakonferenz statt. Dieses Jahr tagt die Konferenz vom 1. bis zum 12. Dezember in Lima (Peru). Die Treffen haben den Anspruch, das Weltklima zu schützen. Doch es wurden stets völlig unzurei-
chende Maßnahmen beschlossen. Der Handel mit schmutziger Luft wurde zu einem Milliarden-
geschäft. Der CO2-Ausstoß erreichte 2012 mit 35,4 Milliarden Tonnen einen Rekordwert. 2011 schrumpfte die Ozonschicht über der Arktis in noch nie dagewesenem Ausmaß und näherte sich der Schädigung über der Antarktis. Eine vorübergehende Entspannung heißt höchstens, dass das FCKW-Verbot richtig war. Doch die Gefahr ist nicht gebannt. Auch die Ersatzstoffe schädigen die Ozonschicht. Viele Faktoren gefährden zusätzlich unser Klima: die Vernichtung der Wälder, der Rückgang des Planktons der Meere um 40 Prozent, der Methan- und Lachgasausstoß durch die Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird, Methan aus den auftauenden Permafrostböden, das Schmelzen des Methaneises in den sich erwärmenden Meeren und viele andere. Diese Entwick-
lungen müssen gestoppt werden! – Sonst werden alle Lebensgrundlagen der Menschheit vernich-
tet.“
„An die Älteren unter uns: Könnt ihr euch noch an die Klimakonferenz in Atlantis erinnern?“13
(zuletzt geändert am 3.5.2020)
1 Foto © Volker Derlath
2 Siehe den Film von Leo Kuebert auf www.youtube.com/watch?v=rt07bIsYiXA. Siehe die Fotos von Werner Rauch unter http://www.galerie-arbeiterfotografie.de/galerie/reportage/index.html.
3 Plakatsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
4 Siehe www.demonstrare.de/termine/march-against-monsanto-muenchen/
5 https://www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=1&p=20127
6 Zit. in Anette Wild: „Aus dem Müll … auf den Tisch“ in: Biss. Bürger in sozialen Schwierigkeiten vom September 2014, 22.
7 Siehe https://secure.avaaz.org/de/climate_march_reportback/?slideshow und www.wwf-jugend.de/durchstarten/aktionen/aktuelles/peoples-climate-march-in-muenchen;6960.
8 Siehe www.action-freedom.de. Siehe die Bilder von der Kundgebung und Demonstration der „konsumrEvolution“ am 11. Oktober von Richy Meyer. „Was wir brauchen, ist ein komplett anderes Leben, nicht das Auswechseln altmodisch geworde-
ner Technologien gegen andere“, meinen Bernd Sommer und Harald Welzer in Transformationsdesign. Wege in eine zu-
kunftsfähige Moderne, München 2014.
9 Foto: Richy Meyer
10 www.criticalmass-muenchen.de
11 Siehe www.netzwerk21kongress.de.
12 Siehe Fotos von der Unterschriftenübergabe auf https://www.facebook.com/media/set/?set=a.842698062428977.1073741842.530905320274921&type=1.
13 Manfred Ach, Akte Styx. Ablagen vom Mönche, München/Wien 2014, 7033.