Materialien 2014
Gegenanträge
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln,
stellt folgende Gegenanträge:
Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands
Den Mitgliedern des Vorstandes wird die Entlastung verweigert.
Begründung:
Der Vorstand der Siemens AG verstößt mit seiner Beteiligung an Staudamm-Projekten gegen die Menschenrechte, UN-Leitprinzipien, Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Empfehlungen der Weltstaudammkommission und die Corporate Governance-Richtlinien des Konzerns.
Belo-Monte-Staudamm in Brasilien
Der Bau des Staudamms Belo Monte (mit 11 GW der drittgrößte der Welt) am amazonischen Fluss Xingu im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará ist jüngsten Pressemeldungen zu 34% fertig gestellt, dies obwohl nach wie vor 20 Klagen der Bundesstaatsanwaltschaft in Brasília vor den Gerichten (einschließlich des Obersten Gerichtshofs) anhängig sind und die Rechtslage eindeutig auf die Illegalität des Staudamms hinweist. Die brasilianische Regierung versucht so, vollendete Tatsachen zu schaffen. Die wiederholt gerichtlich erzwungenen Baustopps werden immer wieder mit dem Verweis auf höherwertige, nationale Interessen aufgehoben. Der Oberste Gerichtshof beruft sich dabei auf das Gesetz aus dem Jahre 1964, das die sogenannte „suspensão de segurança“ definiert, also das Außerkraftsetzen eigentlich verfassungsrechtlich vorgesehener Prinzipien mit dem Verweis auf höherwertige nationale Interessen. Dieses Rechtskonstrukt stammt noch aus der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964 – 1985).
Das Siemens Joint Venture Voith Hydro liefert Turbinen und elektromechanische Ausrüstung
für den Damm und verstößt damit gegen seine eigenen Corporate- Governance-Richtlinien. Die Siemens AG muss Prozesse etablieren, mit denen der Konzern Abhilfe für die Menschenrechts-
verletzungen schaffen kann, die er durch seine Beteiligung an solchen Projekten mit verursacht. Sollte Siemens nicht in der Lage sein, diese eklatanten Missstände abzustellen, so muss der Konzern aus diesen Projekten aussteigen und die Verträge aufkündigen.
Brasilien hat 2004 die ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker ratifiziert – und die ILO hat im März 2012 festgestellt, dass beim Belo-Monte-Staudamm-Projekt die ILO-Konvention 169 nicht eingehalten wurde. Das Staudammprojekt Belo Monte entzieht den EinwohnerInnen der Region um Altamira und an der großen Flussschlinge des Xingu ihre Lebensgrundlage. Der Sie-
mens-Vorstand verschließt bewusst die Augen davor, dass die Baumaßnahmen des Belo-Monte-Staudamms gegen geltendes nationales und internationales Recht verstoßen.
Wasserkraftwerk Agua Zarca in Honduras
Über das Joint Venture Voith Hydro GmbH ist Siemens an der Lieferung der Turbinen und wei-
terer technischer Ausstattung für das Wasserkraftwerk „Agua Zarca“ am Gualcarque-Fluss in Honduras beteiligt. Von einem großen Teil der indigenen Lenca- Bevölkerung wird das Projekt entschieden abgelehnt. Betroffene Lenca-Gemeinden berichten, dass ihnen der Zugang zum Fluss unmöglich gemacht und fruchtbare Böden für ihre Subsistenzwirtschaft zerstört würden. Gegen die honduranische Betreiberfirma DESA (Desarollos Energéticos S.A.) ist seit dem 3. September 2013 eine Klage wegen illegaler Besetzung indigenen Gemeindelandes anhängig. (www.rightsaction.org/sites/default/files/Rpt_131001_RioBlanco_Final.pdf).
Es gibt glaubwürdige Hinweise, dass die in der von Honduras 1994 unterzeichneten ILO-Konven-
tion 169 vorgeschriebenen Konsultationen der Bevölkerung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden (www.internationalrivers.org/node/8040). Stattdessen erfuhren die mit Baubeginn 2013 verstärkt protestierenden GegnerInnen des Projektes Drohungen, gewaltsame Übergriffe und Kriminalisierung. Auf einem von der DESA benutzten Gelände in der Gemeinde La Tejera wurden ab dem 17. Mai 2013 Polizei- und Militäreinheiten stationiert. Am 15. Juli 2013 erschoss der Unteroffizier Kevin Jasser Sarabia den lokalen indigenen Gemeindeführer Tomás Garcia ohne Vorwarnung bei einer Kundgebung vor dem Tor des von der DESA beanspruchten Geländes und verletzte dessen 17-jährigen Sohn schwer. Ein 15-jähriger kam am gleichen Tag unter ungeklärten Umständen zu Tode (vgl. Stellungnahme der Interamerikanischen Menschenrechtskommission: www.oas.org/es/cidh/prensa/comunicados/2013/052.asp).
Nach diesen Vorkommnissen zog sich das als Bauträger ebenfalls am Projekt beteiligte chinesische Unternehmen SINOHYDRO zurück. Der SINOHYDRO GROUP zufolge wurde der Vertrag mit der DESA am 24. August 2013 beendet (www.businesshumanrights.org/Categories/News?date=2013/11/25&page=2).
Zu Tagesordnungspunkt 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats
Den Mitgliedern des Aufsichtsrates wird die Entlastung verweigert.
Begründung:
Das Ausscheiden von gleich vier Konzernvorständen innerhalb eines Geschäftsjahrs – Vorstands-
vorsitzender Peter Löscher sowie die Vorstandsmitglieder Peter Solmssen, Brigitte Ederer und Barbara Kux – ist ein außergewöhnlicher Vorgang, der im Hinblick auf die Kompetenz des Auf-
sichtsrats bei der Rekrutierung von Führungskräften manche Fragen aufwirft.
Dem Konzern entstehen durch den vorzeitigen Abgang der ManagerInnen vermeidbare finanzielle Belastungen in Höhe von 31 Millionen Euro, die bei einer sorgfältigen Personalwahl hätten vermie-
den werden können. Allein Peter Löscher darf sich neben einer Abfindung von 15 Millionen Euro über eine Sonderzahlung zur Altersversorgung von gut 2,2 Millionen Euro freuen. Obwohl der 2007 vom Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme geholte Peter Löscher nie richtig im Kon-
zern heimisch geworden war, verlängerte der Aufsichtsrat dessen Vertrag noch 2011 um sechs weitere Jahre.
Der Ende 2013 ausgeschiedene Rechtsvorstand Solmssen erhält knapp 7 Millionen Euro Aus-
gleichszahlung und eine Million Euro Pensionsansprüche. Auch sein Vertrag war 2011 verlängert worden. Solmssen ist dafür verantwortlich, dass Siemens 2009 eine Partnerschaft mit dem russischen Atomkraftwerksbauer Rosatom einging.
Die frühere Personalchefin Brigitte Ederer, deren Vertrag regulär 2015 geendet hätte, bekommt 15,6 Millionen Euro Abfindung plus knapp 900 000 Euro Sonderbeitrag zur Altersversorgung.
Die zahlreichen durch den Vorstand getroffenen strategischen Fehlentscheidungen hat letztlich der Aufsichtsrat der Siemens AG zu verantworten. Er ist seiner Pflicht, den Vorstand bei der Führung der Geschäfte zu überwachen und zu beraten, nicht gerecht geworden. Der Aufsichtsrat ist außer-
dem mit verantwortlich für Verstöße der Siemens AG gegen UNLeitprinzipien, Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Empfehlungen der Weltstaudammkommission und eigene Corporate-Governance-Richtlinien.
Köln, 13.01.2014
Markus Dufner
Geschäftsführer des Dachverbands
der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
Pellenzstr. 39, 50823 Köln
Tel. 0221 / 599 56 47
Fax: 0221 / 599 10 24
dachverband@kritischeaktionaere.de
www.kritischeaktionäre.de
Gegenanträge und Wahlvorschläge zur ordentlichen Hauptversammlung 2014 der Siemens AG am 28. Januar 2014, unpag.