Materialien 1967

In Sachen L ...

Das MÜNCHNER RATIONALTHEATER hat beim Landgericht München gegen Bundesinnenmi-
nister Paul Lücke sowie gegen den verantwortlichen Redakteur der Schrift des Innenministeri-
ums (Schriftenreihe „Innere Sicherheit“ Nr. 11/66) gerichtliche Schritte eingeleitet und Strafan-
trag gestellt. (Vgl. Klageschrift vom 31. Oktober 1967)

Die Schrift des Bundesinnenministeriums hatte die im Rahmen einer zunächst beschlagnahmten, dann freigegebenen und seit einem Jahr ununterbrochen gezeigten Fensterausstellung gegen Bun-
despräsident Lübke erhobenen Anschuldigungen der Mitwirkung beim Bau von Konzentrationsla-
gern mit dem Hinweis zu entkräften versucht, alle vom Rationaltheater präsentierten Dokumente seien gefälscht. Nach verschiedenen Ermittlungen hat sich nun herausgestellt (vgl. Spiegel Nr. 45, 21. Jahrgang), dass ausschließlich Minister Lücke in seiner Schrift mit Fälschungen gearbeitet hat. Die weiße Weste, die Lücke Lübke strickt, passte dem Rationaltheater, oder: Wer andern eine Gru-
be gräbt, fällt selbst hinein (Volksmund).

Die kriminaltechnische Untersuchung der Unterschriftenkomplexe wurde auf Fotokopien einge-
engt, obwohl die Originale jederzeit für jeden Sachverständigen zur Prüfung bereit liegen. Ferner wurde die Untersuchung der Fotokopien auf nur 3 Stück begrenzt, und zwar auf ANORDNUNG LÜCKES (Dr. Reuter). Damit ist erwiesen, dass Lücke eine genaue, umfassende Untersuchung durch das Bundeskriminalamt absichtlich verhindert hat, echte Dokumente durch Vorschub von 3 Montagen unterdrückt hat, um so mit Verschleierungen, falschen Anschuldigungen und Verleum-
dungen einem Mann die Treue zu halten, der beim Bau von Konzentrationslagern mitgemischt hat. Motto: Was nicht sein darf, das nicht sein kann (Volksmund) – oder: Der Nebel wird’s schon lich-
ten (Rationaltheater).

Das Vokabular des Innenministers (Handlungsgehilfen der SED-Propagandazentrale, SED-Draht-
zieher, Kolporteure einer Verleumdungsaktion, Gestapomethoden, Kommunisten etc.) zeigt, dass der Minister die demokratischen Spielregeln zu begreifen nicht (mehr) im Stande ist. „Schätzt den Gegner nicht gering ein. Er könnte Euch Eure Dummheit zur Last machen, Genossen." (Mao)

Lücke, offenbar innerlich unsicher, in seiner Schrift „Innere Sicherheit“: „Wer sich den Sinn für Proportionen bewahrt hat, kann es schwerlich für angemessen halten, dass sich das Staatsober-
haupt mit diesen Kolporteuren einer Verleumdungsaktion auseinandersetzt. In München sind es Mitglieder eines Kabaretts, von denen einige führend in einer radikalen Studentenorganisation tätig waren, die der revolutionäre chinesischen Richtung des Weltkommunismus nahesteht.“ Damit kann Lücke nur die SPD und die Bundeswehr meinen. In einer anderen Organisation war niemand von uns – auch nicht im SDS. Wenn Lücke Bundeswehr und SPD als der chinesischen Weltrevolution nahestehend bezichtigt, muss, wenn Lücke im Amt bleiben soll, die Bundeswehr und die SPD gehen.

Aus staatspolitischen Erwägungen hat die Bundesregierung Heinrich Lübke abgeraten, die Geneh-
migung zur Strafverfolgung seiner Verleumder zu erteilen. Wie im Falle des Reichspräsidenten Ebert würden dann die Verleumdungen zu einer Lawine anwachsen, die erforderlichen Prozesse würden Kraft und Gesundheit des Bundespräsidenten aufzehren. Noch über der Integrität des Staatsoberhauptes steht also für die Bundesregierung seine Gesundheit. So ist es unverständlich, dass ausgerechnet Innenminister Lücke den Auftrag für das Gutachten des Bundeskriminalamtes erteilt hat, dies wäre in die Zuständigkeit von Gesundheitsministerin Strobel gefallen. Das Gutach-
ten ist also nicht als Persilschein, sondern als Gesundbeterei zu betrachten, die in unserem Staat auf eine lange Tradition zurückblicken kann.

Gemeinsam mit den Notstandsgegnern versuchen die kommunistischen Verleumder eine Volks-
front in der Bundesrepublik aufzubauen. Aus diesen Worten von Minister Lücke folgt zwangsläu-
fig, dass, wer gegen den Notstand ist, auch gegen Lübke sein muss. Damit wurde Heinrich Lübke öffentlich zum Notstand erklärt, der nach jüngster Ansicht des Ministers in keine Schublade mehr passt.

Wir fordern den Bundesinnenminister auf, sich im Interesse der inneren Sicherheit von seiner Schrift zur inneren Sicherheit und der Verleumdungsmethoden in dieser Schrift zu distanzieren, sich trotz der Freundschaft zum Hause Lübke soviel innere Sicherheit zurückzugewinnen, dass es zu folgender Einsicht reicht: Wer durch Dokumentenunterdrückung und falsche Anschuldigungen Öffentlichkeit Presse und Volksvertretung täuscht, wandelt schwerlich auf dem Boden von Grund-
gesetz, Demokratie und Ministereid, ist für unsere vom Kommunismus so sehr gefährdete Demo-
kratie untragbar, vor allem, wenn diese schon einen Präsidenten zu tragen und zu versorgen hat, der am Bau von Konzentrationslagern beteiligt war, sich als politisch Verfolgter ausgibt, seinerseits Parlament und Öffentlichkeit getäuscht hat und nur vom Innenminister mit Mitteln gestützt wer-
den kann, die einem Normalbürger nach den Strafbestimmungen des StGB ein Höchststrafmaß von 2 Jahren Gefängnis einbringen sollen. Der Bundesinnenminister muss zurücktreten. Bundes-
präsident Heinrich Lübke muss bleiben, weil ein Volk, das sich innerhalb eines Jahres an die Vor-
stellung gewöhnt hat, dass der erste Bürger im Staat KZ-Wachbaracken und Unterkunftslager ge-
baut hat, keinen anderen Präsidenten verdient. Wenn der „Spiegel“ Lübke eine Latrine mit 10 Sitzen anlasten will, so distanzieren wir uns hiervon. Lübke baute nach seinen Fähigkeiten bereits mitten im Krieg und unter erschwerten Bedingungen an dem Modell der heutigen Ostpolitik der großen Koalition, dem Konzept „Menschliche Erleichterungen“.

Presseerklärung Münchner Rationaltheater vom 31. Oktober 1967


das münchner rationaltheater. ein politisches kabarett, 5. Programm: „So legt man Euch Ihr Brüder“, Programmheft 1968, unpag.

Überraschung

Jahr: 1967
Bereich: Nazis