Materialien 1965

Aufruf

Wir begegnen viel Schmutz und Schund auf der Leinwand. Erfahrene Bürger gesetzten Alters werden durch Sex und Brutalität in zunehmendem Maße verwirrt und nehmen ihren Lauf durch Konfessionen, Altersheime und Volkswartbund. Wie lange noch wird es dauern, bis diese schmutzige Welle die Kirche erreicht und die Keimzelle deutschen Lebens hinwegschwemmt? Wer ob soviel Anblick menschlichen Fleisches tatenlos zusieht, macht sich mitschuldig.

Das Sittenkomitee ruft zur „Reaktion saubere Leinwand" und bittet um Ihre Unterschriften zu folgenden Forderungen:

1. Wir bejahen den Film in allen Formaten – (24 × 36, 6 × 6, 6 × 9)

2. Wir fordern eine Zusatzbeschneidung aller Filme durch die bereitwillige Selbstkontrolle in geschlossenen Vorstellungen des Sittenkomitees. Diese Filme erhalten die Kennzeichnung „Filmverschnitt extra fein“ und dürfen auch im Fernsehen gezeigt werden. Der Erlös aus dem Verkauf des abfallenden Materials dient ausschließlich zur Unterstützung der

„REAKTION SAUBERE LEINWAND“

3. Entsprechend dem „Jugendverbot“ fordern wir für Filme erregenden Inhalts das „Altersverbot“.

4. Wir fordern den Schutz der Ehe es zu spät ist.

5. Bis zur gesetzlichen Definition des Begriffes „Kunst“ darf im Film nur gezeigt werden
a) was zum Kragen hinausschaut, und
b) was mit A anfängt (Z.B. Arm).

6. Bei erotischen Szenen ist der Originalton durch eine geeignete Tageslosung zu ersetzen.

7. Die Vergnügungssteuer wird durch einen „Notgroschen“ ersetzt. Dieser wird verwendet zum weiteren Ausbau der Telefonseelsorge, welche die bisherige „Auskunft über Rufnummern“ ablöst.

8. Lichtspielhäusern, die sich den vorgenannten Forderungen frei unterwerfen, wird das Prädikat „Kirchenlicht-Spielhaus“ verliehen. Sie sind umsatzsteuerfrei.

Wir fordern die Wähler auf, in der kommenden Wahl ihre Stimme ausschließlich Parteien zu geben, die die Forderungen des Sittenkomitees vollständig in ihrem Programm führen und die folgende Neufassung des Artikel 5 Grundgesetz unmissverständlich durchsetzen:

Art. 5 GG

l) Jeder hat das Recht, eine Meinung in „BlLD“ frei zu äußern.

ll) Die wahre Freiheit der Berichterstattung von Rundfunk und Film wird durch eine Zensur gewährleistet. Verbleibende Rechte finden ihre Schranken im allgemeinen Sittengesetz.

lll) Kunst und Wissenschaft entbinden nicht vom gesunden Volksempfinden.

Wir bitten um Ihre Unterschrift

Das Sittenkomitee
„Reaktion saubere Leinwand“
München 23, Ursulastraße 9

Josef Strauss
Walzerkönig

Eugen Noth
Schriftenmaler

Eva Braun
Führerin

Otto Bismarck
Kulturpolitiker

Alois Müßterpenn
Wegbereiter

Rudolf Wirkl
Eiernudeln

Anton Ermekeil
Kasernist

Das Münchner RATIONALTHEATER – Ein politisches Kabarett – München 23, Hohenzollernstraße 20, Geschäftsführung: Rainer Uthoff. Druck: F. X. Stützinger, München 19, Leonrodstraße 17.


Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1965
Bereich: Zensur