Materialien 1975

In der Krise lassen sie alle die Maske fallen – auch die Herrn von BMW

War BMW als Mittelklassewagenproduzent voll von der Krise in der Automobilbranche betroffen? Lesen wir selbst in Quandt’s „bayern motor“ vom Februar 1975: „Die BMW-Absatzzahlen im Januar und Februar sind HÖHER als in den vergangenen Jahren … 1974 war das beste Motorrad-Jahr in der BMW-Geschichte. Der Absatz gegenüber 1973 kletterte um ein Viertel, der Umsatz sogar fast um die Hälfte.“

So jubeln sie jetzt im „bayern motor“ und dazu haben sie allen Grund. Denn Lohneinbußen während Kurzarbeiten im November, Dezember, Januar und Februar hatten diese Herren nicht. Auch saß ihnen die Angst um den Arbeitsplatz, die sie durch Drohungen und Entlassungen bewusst geschürt haben, nicht im Nacken. Die Herren Kuenheim & Co. hat wohl keiner der entlassenen deutschen oder ausländischen ehemaligen BMWler beim Stempeln gesehen.

Gestern Entlassungen und Kurzarbeit, weil Krise – heute Neueinstellungen (siehe bayern motor). Wir und die Existenz unserer Familien zählen nichts. Wie lange glaubt eigentlich unser Betriebsrat noch an die Horoskope des Herrn von Kuenheim?

Jeder weiß, dass die letzte Kurzarbeit im Februar nur durchgeführt wurde, damit von BMW nicht evtl. auch ein Warnstreik gegen den unzumutbaren Tarifabschluss kommt. Wollten doch die Bosse den Lohnverzicht am liebsten noch niedriger schrauben. Jeder weiß, dass die letzte Kurzarbeit dazu hergenommen wurde, um umzurüsten. Die Herren aber ließen sich den „Ausfall“ hierfür vom Arbeitsamt bezahlen.

Jeder weiß, dass jetzt wieder Überstunden geschoben werden, um jetzt den Produktionsstand wieder zu erreichen, der vorher angeblich gedrosselt werden musste. Viele Kollegen müssen die Überstunden arbeiten, um die Lohneinbußen auszugleichen, der dauernden Preissteigerungen wegen. Diese Überstunden gehen einzig und allein auf unsere Gesundheit.

Aber die Herren Besitzer kalkulieren mit der Angst um den Arbeitsplatz. Am liebsten hätten sie’s, wenn wir keine Forderungen stellten und ihnen womöglich für den Arbeitsplatz noch dankten. Mit unserer Arbeitskraft aber werden die Autos produziert. Weil wir arbeiten, können die Aktionäre ihre Dividenden einstreichen. Je mehr wir ihnen glauben, umso mehr werden wir hinters Licht geführt.

Sicherer werden die Arbeitsplätze auch in der Automobilindustrie und den vielen von ihr abhängigen Zulieferbranchen, wenn wir nicht Lohneinbußen und Reallohnabbau hin nehmen, sondern im Gegenteil die Massenkaufkraft erhöht wird.

Sicherer werden die Arbeitsplätze nur, wenn die Arbeiter und Angestellten und ihre Gewerkschaften über die Investitionen der Unternehmer mitbestimmen und sie kontrollieren.

Erst dann kann der Willkür wie bei BMW – heute Entlassungen – morgen Neueinstellungen, heute Kurzarbeit – morgen Überstunden – der Riegel vorgeschoben werden.


Die Zündung. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die Arbeiter und Angestellten bei BMW (März-April 1975), 6.