Flusslandschaft 1994

Medien

„… Sie haben vor vielen Jahren den Begriff »Bewußtseinsindustrie« geprägt. Was sagen Sie zu der heutigen Medienexplosion? Enzensberger: Ich sehe das eher kaltblütig. Fünfzig oder fünfhundert Fernsehkanäle. Datenautobahnen, interaktives TV, alles schön und gut, aber es ist viel Schaum-
schlägerei dabei. Im allgemeinen kann man sagen, je neuer ein Medium, desto leerer ist es auch. Alle reden von Kommunikation, aber die wenigsten haben sich etwas mitzuteilen. Das erinnert an das Geschäft mit dem alkoholfreien Bier. Ich nehme alles raus, was eigentlich Bier ausmacht, und verkaufe das Ergebnis als Bier. Es gibt ja sehr erfolgreiche Zeitungen, die keinerlei Information enthalten. Auch die meisten Fernsehprogramme haben den Zustand der vollkommenen Leere erreicht. Die Zuschauer benutzen sie als Tranquilizer. Insofern sind die neuen Medien eher ein Teil der Pharma-Industrie, und es ist natürlich ein großer Vorteil für die Produzenten, dass ihre Waren rezeptfrei zu haben sind …“1


1 Hans Magnus Enzensberger im Gespräch mit heinrich Jaenecke und Siegfried Schober, Stern 46 vom 10. November 1994, 46.

Überraschung

Jahr: 1994
Bereich: Medien