Flusslandschaft 2014
Medien
Am 21. Februar veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung in einer Teilauflage eine Karikatur des Gründers von Facebook, Marc Zuckerberg, die eindeutig antisemitische Stereotype wiedergibt. Bei empörten Kritikern entschuldigt sich der Karikaturist: Es sei ihm schlicht „nicht aufgefallen“, dass seine Karikatur wie eine antijüdische Hetz-Zeichnung aussehe.1
Immer mehr kritischen Leserinnen und Lesern fällt auf, wie einseitige Parteinahmen in den großen überregionalen Medien vermuten lassen, dass Meinungsmacht den öffentlichen Diskurs be-
stimmt.2
Die Quotenkonkurrenz der öffentlich rechtlichen Sender mit den privaten Sendern verdrängt die Frage nach der Qualität von Programmen. Der Bayerische Rundfunk sendet auf UKW ein Klassik-Programm, das er ins DAB+Netz abzuschieben plant, um auf der frei gewordenen Frequenz die „Jugendwelle Puls“ zu plazieren. Dagegen wehren sich nicht nur Hörerinnen und Hörer, es prote-
stieren auch Kulturschaffende wie Alfred Brendel, Heiner Goebbels, Bruno Ganz und Eva Mattes.3
Die marode Abendzeitung wird im Juni von Martin Balle (Straubinger Tagblatt) und Wirtschafts-
anwalt Dietrich von Boetticher übernommen. Von etwa Hundert MitarbeiterInnen nehmen rund 70 den Hut. Die Restbelegschaft wird aber trotz Preiserhöhungen das Blatt nicht in die schwarzen Zahlen führen können.
Mit der Verschärfung des Konflikts in der Ukraine schreiben die bundesdeutschen Leitmedien Rußland und seinen Präsidenten zum Feindbild hoch. Sie werden immer eindeutiger zum willfäh-
rigen Instrument der herrschenden Politik des Westens und treiben zugleich die herrschende Politik mit lauten Rufen nach schärferen Sanktionen, nach militärischen Drohgebärden und Aktionen vor sich her. Die Bild-Zeitung titelt ausgerechnet am 1. September, dem Antikriegstag, etwas gröber als die „seriösen“ Blätter mit einem photogeshopten Putin, der wie weiland Charly Chaplin als „Großer Diktator“ einen Globus liebevoll in Händen hält. Klar wird: Am Ende greift
der Mann nach der Weltherrschaft.
Auf Seite 2 schreibt das Blatt: „Er steht für Eroberung. Er steht für Landgewinn. Er steht für Krieg. Novorossia, das gefährlichste Wort unserer Zeit! Jetzt spricht sogar Russlands Präsident Wladimir Putin (61) das Wort öffentlich aus. Denn Er will die Ukraine teilen! Er will einen neuen Staat! Er will Novorossia! Erstmals forderte der Kreml-Zar gestern die Eigenständigkeit für die Ost-Ukraine …“4
Gibt es eine freie Presse? John Swinton, Redaktionschef der New York Times, antwortete bereits 1880, also vor über 130 Jahren, darauf: „Das Geschäft von Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, frei heraus zu lügen, zu verfälschen und zu Füßen des Reichtums zu kriechen … Wir sind die Werkzeuge und Vasallen reicher Leute hinter der Szene. Wir sind die Marionetten, sie ziehen die Schnüre und wir tanzen.“
1 Siehe www.fr-online.de/medien/antisemitismus-sueddeutsche-keine-antisemiten—nirgends-,1473342,26350914.html.
2 Im Institut für Medienverantwortung beobachtet und kommentiert Sabine Schiffer seit 2005 die bizarre Landschaft der veröffentlichten Meinung: www.medienverantwortung.de/uber-uns/schriftenverzeichnis-schiffer/
Angeregt durch die Informationen in der ZDF-Satiresendung ,Die Anstalt’ entwickeln zwei Studenten ein Add-On, das die Verbindungen von Journalisten zu Politik- und Wirtschaftsverbänden bzw. Interessengemeinschaften aufzeigt: https://www.youtube.com/watch?list=FL2Xf_h0kqZE80DrrMUjc0Dg&v=bP60qo6kuCg&feature=player_detailpage#t=5
Eine genauere Auseinandersetzung mit der Süddeutschen Zeitung findet sich am 4. November bei www.heise.de/tp/artikel/43/43237/1.html.
3 Siehe zur Diktatur der Quote www.kunstundkultur-online.de/
4 Bild-Zeitung 203/36 vom 1. September 2014, 2. Siehe auch Wolfgang Blaschkas Attacke gegen die „Blödzeitung“ unter www.rationalgalerie.de/home/bloed-erklaert-v-fall.html. Vgl. dazu auch Uwe Krüger, Meinungsmacht. Der Einfluß von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse, Köln 2013.
Michael Sailer hat sich einige Lektüre angetan: „… Die pseudo-neocon-verdoofte ,Welt’ (,Harte Haltung gegen Putin’) will ,den Bündnisfall ausrufen’, der Boulevard schäumt (,Putin: Sein TeufelsPlan’, ,Wer hält Putin auf?‘), die früher angeblich liberale ,Süddeutsche’ (,Jetzt oder nie’) greint: ,Putins Ton wird immer schärfer’, der ,Spiegel’ (,Ende der Feigheit’) brüllt: ,Stoppt Putin jetzt!’ (wohl in der Hoffnung auf einen ähnlichen Effekt, wie ihn die ,National-Zeitung’ mit der wortgleichen Hetze gegen Rudi Dutschke erreichte), die ,Zeit’ (,Härte zeigen! Militärische Präsenz in Osteuropa deutlich erhöhen!‘) sal-
badert in typischer Diktion: ,Wie weit lassen wir Putin zu weit gehen?’, der ,Tagesspiegel’ rät zum Kampf (,Genug gespro-
chen!‘), die FAZ will ,Stärke zeigen’, und im grün-mittelständischen Witzblatt,taz’ schwelgen die Kommentatoren seit Wochen in Schlachtenmasturbationen, ganz zu schweigen vom ZDF, das seine Anti-Putin-Propaganda unverdrossen mit falschen Bildern untermauert, um einen russischen Einmarsch in der Ukraine zu beweisen. Zwar flog dieser Schwindel
noch schneller auf als dem Hitler sein Sender-Gleiwitz-Schabernack, aber kümmert das im nachhinein, wenn die Botschaft in den Köpfen ist, noch jemanden? Fragt noch jemand nach dem ,Tonkin-Zwischenfall’, jenem gleichwertig dilettantischen Schwindel, mit dem die USA ihren Krieg gegen Nordvietnam begründeten? …“ Michael Sailer: „Vom Hitler, von Putin, von Hysterie und Raserei und einem möglichen Mittel dagegen“ in: IN münchen 18 vm 11. September 2014, 90.