Flusslandschaft 2014

Stadtviertel

Am Mittwoch, den 27. August, ruft der Bürgerverein Lerchenau e.V. um 18 Uhr zu einer De-
monstration vor dem 1912 errichteten Künstlerhaus des Bildhauers Otto Zehentbauer an der Lerchenauer Straße 206 auf. Die neue Besitzerin, die Stiftung der Raiffeisenbank, will aller Voraussicht nach das Grundstück für eine neu zu bauende Filiale oder für lukrative Eigentums-
wohnungen verwenden. Karola Kennerknecht, die Vorsitzende des Vereins: „Wir wollen deutlich machen, wie sehr solche Häuser das Gesicht eines Stadtviertels prägen. Sie können nicht einfach durch eine beliebig aussehende Bankfiliale ersetzt werden, für die zusätzlich der gesamte Baumbe-
stand des Grundstücks fallen würde. Wo bleiben hier der genossenschaftliche Gedanke der Bank und die gemeinnützigen Ziele der Stiftung, vor allem im Bezug auf die Förderung von Kunst, Kultur, Denkmalschutz, Brauchtum und Heimatpflege und Naturschutz?“1 Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege erklärt im Frühjahr 2015, das Haus sei nicht schutzwürdig und empfiehlt dem neuen Eigentümer unverbindlich zu prüfen, ob die Erhaltung des Ateliers des Bildhauers möglich sei.

Im September klagen Schülerinnen und Schüler, die in Containern der Grandlschule an der Grandlstraße in Obermenzing unterrichtet werden, über vermehrt auftretende Beschwerden. Die Stadt veranlasst Messungen über Schadstoffkonzentrationen und kommt zu dem Schluss, dass Grenzwerte nicht überschritten werden. Gutachter der Eltern kommen zu anderen Ergebnissen, die Eltern sind empört. Im Juni 2015 lässt der Kinderarzt Dr. Thomas Noss einen Symptom-Fragebogen anfertigen. Ergebnis: 163 Kinder zeigen Symptome einer Formaldehydvergiftung.

In Sendling soll das historische Ensemble „Tannengarten“ abgerissen werden. Eine Bürgerinitia-
tive sammelt Unterschriften.2 Bei der Bürgerversammlung des 6. Stadtbezirks Untersendling am 18. November stellt Gabriele Duschl-Eckertsberger einen Antrag, der einstimmig angenommen wird.3

Sonntag, 26. Oktober beginnt um 13.30 Uhr vor dem Bachbauernhof im Manzinger Weg 6 unter dem Motto „Kultur soll bleiben“ eine Fahrrad-Demo für den Erhalt des Areals der denkmalge-
schützten Kuvertfabrik in Pasing als Kulturraum und gegen die geplante Errichtung von Luxus-
wohnungen auf dem seit mehr als 15 Jahren aktiv genutzten Kulturgelände! Die Demonstrantinnen und Demonstranten fordern die Stadt München auf, sich für den Erhalt des Kulturraums einzu-
setzen und den bestehenden Verein Kupa bei der Realisierung des Alternativkonzepts (KUPA-Quartier) zu unterstützen.

Kimmt a Stadtrat um die Eck’n, / Springa muaß a üban Steck’n. / Bricht er sich dann einen Zeh, / Weiß er, ’s war der BeÄmWeh. – Wie ein wuchernder Tumor frisst sich die Weltfirma ins Gewebe des Münchner Nordens. Da hilft kein Argumentieren, kein Dagegen, da hilft kein Jammern. Das muss so sein. Es geht um Arbeitsplätze, um das Renommee der Stadt, um eine Marke und deren glänzende Exporte, um Dividenden und um unser aller Zukunft. BMW baut in Milbertshofen sein „FIZ“, sein „Forschungs- und Innovationszentrum“, aus und plant hier bis zum Jahr 2050 etwa 15.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Schon jetzt, Ende 2014, quält sich jenseits des Mittleren Rings während des Berufsverkehrs die Blechlawine nicht nur durch die Schleißheimer Straße. Dichter Smog zieht sich in die anliegenden Wohngebiete, Wohnstraßen werden zu Schleichwegen, die ebenfalls nach kurzer Zeit verstopft sind. Dass mit der Expansion der Firma die Zustände noch schlimmer werden, ist klar. Und da bietet die Stadt die Untertunnelung der Schleißheimer Straße ab Höhe der Dülferstraße für einen direkten Anschluss an die A 99 an. Klar, wer bei der Firma arbeitet, fährt begeistert deren Fahrzeuge – auch zur Arbeit. Damit dies so bleibt, baut die Stadt eine neue, attraktive Abfahrt von der Autobahn, damit noch mehr Kraftfahrzeuge den Münchner Norden beglücken. Und die werden den täglichen Stau auf der A 99 zusätzlich bereichern. Das Ganze ist Flickwerk. Die Verflüssigung des KfZ-Verkehrs auf einem Straßenstück verursacht Stau auf dem angrenzenden Verkehrsgrund. Eine moderate Lösung, die die Erweiterung des FIZ für die Bewohner des Münchner Nordens erträglich machen würde, könnte anders aussehen: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs hat Vorrang vor neuen Verbindungsstraßen. Eine Stadt-Umland-
bahn, die zum Beispiel den Weg von Dachau nach Milbertshofen ermöglicht, bietet eine leistungs-
fähige Querverbindung. Die S1 Richtung Freising bekommt höhere Taktzahlen und wird vom Güterverkehr getrennt. An den S- und U-Bahn-Stationen entstehen attraktive, überdachte Bike- und Ride-Stationen. Rad-Hauptrouten werden sowohl Richtung Zentrum wie als Querverbin-
dungen weiter ausgebaut.4 – Eine radikale Lösung wäre, der Firma die rote Karte zu zeigen. Denn dort ist Expansion ist angesagt, Renditen gehen vor Menschen, die Welt wird zur BMW-Welt, ob sie will oder nicht. Die Bewohner des Münchner Nordens sollten aufwachen und erkennen, was vor ihrer Haustüre geschieht. Bis jetzt aber gilt: Wenn die Firma pfeift, steht der Münchner Stadtrat stramm.


1 Siehe www.buergerverein-lerchenau.de und www.gartenstadt-harlaching.de/inhalte/presse/sz_20-06-14_r8n.jpg sowie Text und Bilder von „rettet das künstlerhaus“ von Richy Meyer.

2 Siehe www.rettet-sendlinger-tannengarten.de.

3 Siehe „Antrag zur Erhaltung des Tannengarten“ von Gabriele Duschl-Eckertsberger.

4 Vgl. Christian Hierneis: „Verkehrskonzept für den Münchner Norden: Vorrang fürs Auto“ in: Münchner Natur
& Umwelt 60 vom November 2014, 4 f. Siehe dazu auch die Überlegungen des Bund Naturschutz unter www.bn-muenchen.de/index.php?id=32.

Überraschung

Jahr: 2014
Bereich: Stadtviertel