Flusslandschaft 1972
Fußball
Fußball braucht Begründung. Nicht das Kicken der Kids auf der Straße, aber der Profifußball. Wenn ein knappes Dutzend kurzbehoster Männer hinter einem einzigen Ball herlaufen, um ihn kunstvoll in einem zwischen rechteckig verbundenen Latten aufgespannten Netz zu plazieren,
was ein weiteres knappes Dutzend kurzbehoster Männer zweimal eine dreiviertel Stunde lang zu verhindern sucht, dann wird es erforderlich, dem ratlosen Beobachter der grotesken Szenerie, der hier vom modernen „Opium des Volkes“ faselt, die „Philosophie“ des Geschehens zu erläutern. Diese Erklärung spannt den Bogen vom notwendig im Laufe der Jahrtausende domestizierten Kampf um Reviere über sublimierte Penetrationsprojektionen hin zur faktischen Verhinderung von Kriegen zwischen Nationen, die hier in aggressionsbefreienden Ersatzhandlungen abgefeiert werden. Von der „Philosophie“ des Fußballs ist es nur ein kurzer Schritt zum „Fußballspiel der Philosophen“, das die britische Anarchotruppe Monty Python im „Stadion an der Grünwalder Straße“ dreht. Die griechischen Philosophen gewinnen in letzter Minute gegen die deutschen mit
1 : 0. Karl Marx beschwert sich zu Recht: „Es war Abseits!“ Aber Schiedsrichter Konfuzius gibt das Tor. Sauerei!1


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Auf Giesings Höhen thront das 60er-Stadion, der Ort schlechthin, der den leidenschaftlichen Fans sehr oft auch Leiden schafft. Das moderne Olympiastadion soll das in die Jahre gekommene „Sta-
dion an der Grünwalder Straße“ beerben, dieses soll nun Wohnraum weichen. Damit sind die Gie-
singer nicht einverstanden. Unterstützt werden sie, da am 19. November die Bundestagswahl droht, von Kommunisten.
(zuletzt geändert am 4.12.2025)
1 Näheres dazu unter www.20min.ch/em2012/nebendemplatz/story/26911508.
2 Flugblattsammlung, Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung