Materialien 1950

Manifest des Friedenstages der Frauen

Eintausend delegierte Frauen und Mütter, die im Auftrag von hunderttausenden Menschen
und im Auftrag von 18 verschiedenen Organisationen und Parteien sprachen, nahmen auf dem Friedenstag in München am 30. September 1950 das nachstehende Manifest an die deutschen Frauen an.

Angesichts der ernsten und heiligen Verantwortung für die Erhaltung des Lebens, das wir von Ge-
neration zu Generation tragen, und im vollen Bewusstsein der furchtbaren Gefahr eines neuen Krieges manifestieren wir Frauen feierlich unseren festen Willen, den Frieden mit allen Kräften zu verteidigen.

Uns sind in zwei grauenvollen Kriegen Wunden geschlagen worden, die nicht heilen. Erbarmungs-
los wurde vernichtet, was uns teurer ist als das eigene Leben. Unsere Tränen fließen um Millionen Tote, um die aus tausend Wunden blutende Heimat.

Die Sehnsucht der Frauen nach Frieden vereinigt sich mit der Sehnsucht aller Völker, in friedlicher Arbeit das Glück der Menschen zu sichern. Die Feinde der Völker aber bereiten einen neuen Krieg vor.

Der Überfall auf das friedliche Volk von Korea soll den Weltenbrand einleiten. Die Fackel des Krie-
ges soll in alle Länder getragen werden. Täglich fallen Bomben auf stille Dörfer. – Unschuldige Kinder, Frauen und Greise sind ihre Opfer. Blut tränkt den Boden Koreas.

Was heute dort geschieht, kann morgen Deutschland treffen. So wie die koreanischen Mütter ihre Söhne verlieren, können morgen schon die unsrigen in einen schrecklichen Tod getrieben werden. Deshalb empfinden wir das Leid des koreanischen Volkes als unser eigenes.

Die Erinnerung an die Schrecken des Krieges ist lebendig in uns, die Angst vor einem neuen Krieg ist groß. Wir wollen die die Augen vor der Gefahr, die unser aller Leben bedroht, nicht verschlie-
ßen. Wir sehen, dass auf dem Boden unserer Heimat der Krieg von den Feinden der Völker vorbe-
reitet wird. Wir sollen zum Krieg gegen unsere Brüder und Schwestern im Osten Deutschlands und zum Krieg gegen andere friedliebende Völker missbraucht werden.

Wir erheben flammende Anklage gegen alle, die auf dem Boden unserer Heimat den Tod unserer Männer und unserer Kinder, die Vernichtung unserer Wohnstätten um des eigenen Vorteils willen kaltblütig organisieren.

Wir Frauen sind berufen, das Leben, das wir geboren haben und das unserer Sorge anvertraut ist, zu schützen. Wir vereinigen unsere große mütterliche Kraft mit dem Friedenswillen aller Men-
schen der Welt und setzen der Kriegshetze unsere Forderung auf Erhaltung des Friedens entgegen. Wo einmal das Wort vom Krieg ertönt, wollen wir tausendfach den Frieden fordern!

Wir verlangen die Ächtung der Atomwaffe als einer Waffe der Massenvernichtung von Menschen. Wir werden unsere Forderung so lange erheben, bis kein Wissenschaftler und Arbeiter mehr an ihrer Herstellung arbeitet, sondern die Atomkraft zum Segen für die ganze Menschheit verwendet wird. Wir werden so lange die Ächtung der Atomwaffe fordern, bis kein Kriegshetzer mehr wagen kann, irgendein Land damit zu bedrohen Wir sind der Ansicht, dass die Regierung, die als erste
die Atomwaffe gegen irgendein Land benutzt, ein Verbrechen an der Menschheit begeht und als Kriegsverbrecher behandelt werden muss.

Wir fordern eine allgemeine Begrenzung und Kontrolle sämtlicher Waffen, da erhöhte Rüstungen die Kriegsgefahr steigern und den Nationen schwerste Lasten auferlegen.

Wir verlangen als entscheidende Voraussetzung für die Erhaltung des Weltfriedens die Einstellung des grausamen Krieges in Korea. Dort haben sich fremde Mächte in die inneren Angelegenheiten eines Volkes eingemischt. Deshalb fordern wir die sofortige Zurückziehung der amerikanischen und aller anderen fremden Truppen aus Korea.

Wir nehmen die heilige Verpflichtung auf uns, jeder Kriegsvorbereitung auf dem Boden unserer Heimat mit Entschiedenheit entgegenzutreten.

Zur Verteidigung des Lebens unserer Kinder werden wir unsere Männer auffordern, nicht für den Krieg zu arbeiten. Wir sind gewiss, dass die Väter unserer Kinder dem Ruf der Mütter Folge leisten werden.

Wir rufen alle Frauen in den Betrieben auf, nicht für den Krieg zu arbeiten!

Wir Mütter werden unsere Söhne lehren, sich zu weigern, einen Waffenrock zu tragen, um in einem Söldnerheer Kriegsdienst zu leisten. Wir werden unsere Söhne und Töchter in der Liebe zum Frieden und zur Freundschaft mit allen friedliebenden Völkern erziehen. Wir werden sie erziehen zur Bereitschaft, den Frieden zu verteidigen!

Unsere Liebe zum Leben macht uns stark, wie sie die Frauen Frankreichs und die Frauen Italiens zu Heldinnen des Kampfes gegen den drohenden Krieg gemacht hat.

Wir sind eine gewaltige Kraft! Unsere Sehnsucht nach Frieden und unser Wille, ihn zu verteidigen, brennt in den Herzen aller deutschen Frauen und Mütter ebenso heiß wie in den Herzen der Mütter Amerikas, der Sowjetunion, Chinas und wie in den Herzen der Mütter der ganzen Erde.

Wir rufen alle Mütter: Schützt das bedrohte Leben Eures kostbarsten Gutes, Eurer Kinder!

Wir rufen alle Frauen: Verteidigt Euer Recht auf ein glückliches Leben!

Wir rufen alle Mädchen: Kämpft um eine frohe Jugend, um ein erfülltes Leben in einer gesicherten Zukunft!

Zwingt die Feinde der Völker zum Frieden durch Euren mutigen Widerstand gegen alle Kriegspläne! Zwingt sie die bestehenden Gegensätze friedlich zu lösen!

Unser weltumspannender Wille und unser gemeinsames Tun werden den Krieg bannen und den Frieden sichern!

Nehmt teil an dem großen Kampf für den Frieden der Welt durch die Unterzeichnung des Verbots der Atomwaffe, durch die Sammlung von Unterschriften bei jedermann, durch die Bildung von Friedenskomitees in Betrieben, Städten und Dörfern! Seid mutige Kämpferinnen für den Frieden an der Seite Eurer Männer, Eurer Söhne, Eurer Töchter! Setzt Eure ganze Kraft ein, um täglich für den Frieden zu arbeiten!

Schwestern! Legt die Hände ineinander zu dem feierlichen Schwur:
Alles für den Frieden, die Grundlage des Glücks der Menschheit!

Die Delegierten des Friedenstages der Frauen
München am 30. September 1950


Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1950
Bereich: Frauen