Materialien 2014

Rede zur Demo „Solidarität mit dem Widerstand von Kobanê“

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Münchnerinnen und Münchner,

seit Tagen und Wochen lassen uns die Nachrichten aus Rojava kaum mehr schlafen, lassen uns zurück mit Entsetzen vor den Greueltaten des sogenannten Islamischen Staates, die dort in diesen Minuten stattfinden, und lassen uns zurück mit dem bangen Hoffen auf einen guten Ausgang.

Man kann mit Worten gar nicht beschreiben, wie groß der Mut der kurdischen Selbstverteidi-
gungskräfte war, als sie dem Angriff der Mörderbanden des IS in Shengal die Stirn geboten haben und so Zehntausenden Menschen das Leben gerettet haben, indem sie einen humanitären Korridor freikämpften.

Und wir groß dieser Mut ist, der sie nun schon so lange dem Ansturm des IS in der Stadt Kobanê standhalten lässt.

Dieser Mut, diese Standhaftigkeit, dieser Opferbereitschaft zeigen uns auch: in Kobanê werden
zur Stunde nicht nur Menschenleben und Menschenrechte verteidigt, sondern auch ein politisches Projekt, für das die kurdischen Selbstverteidigungskräfte bereit sind ihr Leben zu geben: das Projekt freier kurdischer Gebiete, das Experiment einer direkten kommunalen Demokratie, die Idee einer Gesellschaft der kulturellen, ethnischen und religiösen Vielfalt.

Wir haben uns zu verneigen vor den Kämpferinnen und Kämpfern, vor YPG und YPJ, die diesen Kampf zur Stunde führen und vor denen, die in diesem Kampf ihr Leben gelassen haben.

Das politische Projekt von Rojava hat viele Gegner:

die Türkei genauso wie Syrien, weil die föderal organisierten kurdischen Autonomiegebiete ihre Nationalismen und ihre autoritären Regime in Frage stellt, genauso wie die USA, weil es ihnen nur um die Rückgewinnung von Einfluss über ein Gebiet von großer strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung in einem Krieg gegen Syrien geht.

Und diese politische Gegnerschaft zeigt sich aktuell in dem heuchlerischen Taktieren der NATO-Staaten:

Luftschläge der USA gegen den Islamischen Staat bei gleichzeitigen Angriffen des NATO-Partners Türkei auf PKK-Stellungen.

Angebliche Unterstützung der Kurdinnen und Kurden und gleichzeitig werden Waffen geliefert an Katar und Saudi-Arabien, die die Mörderbanden des IS mit Waffen versorgen.

All das zeigt mir eine unerträgliche Instrumentalisierung des Leides und des Kampfes der Kurdinnen und Kurden!

Und ich bin empört über die Doppelmoral der deutschen Regierung, die zwar über das unerträg-
liche Leiden von Jesiden, von Kurdinnen und Kurden redet, deren Taten aber eine ganz andere Sprache spricht. Wo bleibt der Druck auf den NATO-Partner Türkei, die Grenze nach Syrien zu schließen für den Nachschub des IS, und die Grenze endlich zu öffnen für Flüchtende und den Nachschub für YPG und YPJ?

Und wo bleibt die Aufhebung des absurden PKK-Verbots und eine Initiative für die Freilassung Öcalans? Kein Wort dazu von der Kanzlerin, kein Wort dazu vom deutschen Außenminister.

Liebe Freundinnen und Freunde,

das Agieren der NATO-Staaten der letzten Jahre spricht eine deutliche Sprache:

Wenn die US-Administration von Sicherheit spricht, dann meint sie den sicheren Zugriff auf Bodenschätze und Ressourcen im Nahen Osten.

Wenn die türkische Regierung von Demokratie spricht, meint sie in Wahrheit eine autoritäre Staatsverfassung.

Wenn Deutschland von Verbündeten spricht, dann meint die Bundesregierung auch Saudi-Arabien und Katar, die sie regelmäßig mit Waffen beliefert.

Es war auch die Interventions- und Besatzungspolitik der NATO-Staaten in den letzten Jahrzehn-
ten, die die Katastrophe, die wir gerade erleben, mit ermöglicht hat. Ich bin mir sehr sicher: Eine Fortsetzung dieser Politik wird den IS weiter stärken.

Das ist die bittere Erfahrung aus dreizehn Jahren des so genannten Krieges gegen den Terror.

Deshalb bitte ich diejenigen unter Euch, die diese Option vielleicht erwägen, um Verständnis, wenn ich sage, dass ich mich direkten oder indirekten Appellen an die deutsche Regierung oder
an NATO-Staaten nach Waffenlieferungen oder einem stärkeren militärischen Eingreifen nicht anschließen kann.

Aber ich möchte Euch versichern: die LINKE steht an Eurer Seite in Eurem Recht auf Selbstverteidigung und Selbstbestimmung.

Wir möchten Euch bitten, Eure Erfahrungen mit den emanzipatorischen Ansätzen der kurdischen Autonomiegebiete in die Vision einer anderen Politik, einer anderen Gesellschaft einzubringen, an der wir gemeinsam mit Euch arbeiten!

Und wir kämpfen mit Euch gemeinsam gegen staatliche Repression und gegen das PKK-Verbot!

Ich fordere die Bundesregierung auf, Symbole wie diese nicht länger zu kriminalisieren! Unter dieser Fahne wird in diesen Minuten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gekämpft!
Weg mit dem Verbot der PKK!

Nicole Gohlke, 18. Oktober 2014


zugeschickt am 27. Oktober 2014

Überraschung

Jahr: 2014
Bereich: Internationales