Materialien 2014

Persönliche Erklärung zur Aufhebung meiner Immunität

Gestern wurde durch den Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages meine Immunität aufgehoben, bzw. die Aufhebung meiner Immunität bestätigt, was es der Münchner Staatsan-
waltschaft ermöglicht, gegen mich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Am 18. Oktober 2014 habe ich bei einer Kundgebung zur Solidarität mit der vom sogenannten Islamischen Staat IS umzingelten kurdischen Stadt Kobanê auf dem Rindermarkt in München
eine Rede gehalten und mit den Worten geendet: “Ich fordere die Bundesregierung auf, Symbole wie diese hier nicht länger zu kriminalisieren, denn unter dieser Fahne wird in diesen Minuten ein Kampf für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie geführt. Weg mit dem Verbot der PKK!” Dabei habe ich die Fahne der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, hoch gehalten.

Dafür wurde ich kurz darauf von Polizei und Staatsschutz in Gewahrsam genommen, meine Personalien wurden festgestellt, die Fahne wurde beschlagnahmt. Für die weitere Ermittlung wurde gestern nun der Weg frei gemacht durch die Aufhebung der Immunität.

Die aktuellen Geschehnisse im Nordirak und die dramatischen Wochen, die die Stadt Kobanê im Kampf gegen den zutiefst reaktionären IS erlebt, offenbaren jeden Tag aufs Neue die Doppel-
züngigkeit und das heuchlerische Verhalten der Bundesregierung gegenüber den Kämpfenden in Kobanê und den Menschen in der Region Rojava.

Nach den Angriffen auf die Jeziden durch den IS in Sengal beschloss die Bundesregierung die Peschmerga der Kurdischen Regionalregierung im Nord-Irak mit Waffen zu beliefern. Dabei war
es nicht die Peschmerga, sondern PKK und die mit der PKK verbündeten Einheiten der syrischen YPG/YPJ, die den Jeziden zu Hilfe kamen und einen humanitären Korridor freikämpften. Und auch heute sind es YPG und YPJ, die in Kobanê im Kampf gegen den IS stehen. Bis heute riegelt die türkische Regierung aber den Grenzübergang militärisch ab und unterbindet so die humanitäre und militärische Unterstützung von YPG/YPJ durch die PKK. Offenkundig bevorzugt es die türki-
sche Regierung, dass die Stadt Kobanê in die Hände des IS fällt, als dass weiterhin eine kurdisch verwaltete Enklave an der syrisch-türkischen Grenze fortbesteht. Zugleich hat die türkische Regierung das Kriegsrecht über kurdische Städte verhängt und Stellungen der PKK aus der Luft angegriffen.

All das toleriert die Bundesregierung, indem sie darauf verzichtet, Druck auf den NATO-Partner auszuüben. Vielmehr unterstützt sie die türkische Regierung militärisch, in dem sie eine Rake-
tenstaffel (die Patriots) der Bundeswehr im Land unterhält. Und sie unterstützt die türkische Regierung politisch, indem sie weiterhin am Verbot der PKK festhält und so in Deutschland lebende KurdInnen stigmatisiert und kriminalisiert. Das PKK-Verbot ist nichts anderes als ein Instrument der Repression und der Versuch, eine große Minderheit in Deutschland einzuschüch-
tern.

Ich protestiere gegen die Aufhebung meiner Immunität. Nicht weil ich Sonderrechte für mich
als Abgeordnete fordere. Sondern weil die Aufhebung meiner Immunität und die strafrechtliche Ermittlung gegen mich genau das politische Exempel ist, das auch weiterhin Ermittlungen und Verurteilungen gegen hier politisch aktive KurdInnen rechtfertigt.

Ich bedaure nicht, die Fahne der PKK hochgehalten zu haben. Die PKK ist keine „Terror-Organi-
sation“. Sie ist vielmehr die Organisation, die einen wichtigen Bündnispartner im Nahen Osten
für eine demokratische Perspektive in der Region darstellt. Alle demokratischen Kräfte müssten
ein Interesse an einem Austausch haben über die Ideen und Ansätze einer direkten kommunalen Demokratie und dem Zusammenleben jenseits kultureller, ethnischer und religiöser Grenzen, wie es aktuell in Rojava versucht wird. Die PKK und die mit ihr verbündeten YPG/YPJ haben unsere Solidarität verdient, und keine Verfolgung!

Nicole Gohlke, MdB Die LINKE, am 7. November 2014


zugeschickt am 27. Oktober 2014

Überraschung

Jahr: 2014
Bereich: Internationales