Materialien 2014
Rede auf der Kundgebung gegen „Pegida - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“
Liebe MünchnerInnen,
liebe FreundInnen,
Selten hat eine Abkürzung so schnell Eingang in die politische Landschaft gefunden wie der Begriff „Pegida“. Das soll ja heissen: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes – wer die Reden der Vertreter dieser Bewegung hört, weiss aber, es sollte viel eher heissen: Pöbelnde Europäer gegen die Integration der Ausländer – kurz Pegida.
Seitdem Pegida in Dresden demonstriert und in vielen bundesdeutschen Städten Nachahmer findet, rätselt das offizielle Deutschland, wie das Phänomen Pegida zu begreifen sein könnte.
Ich kann es dem offiziellen Deutschland sagen: Pegida ist nichts anderes als ein Synonym für Rassismus.
Pegida versteckt sich hinter so diffusen Begriffen wie Patriotismus, Islamisierung und Abendland. Die in Dresden und anderswo demonstrieren, wollen behaupten, sie wären Patrioten, die gegen die drohende Islamisierung vorgehen würden und sie würden das Abendland verteidigen.
Bewusst nehmen die Pegida-Aktivisten in Ihrer Selbstbezeichnung einen Rückgriff auf die Reli-
gionskriege der letzten Jahrhunderte – um deutlich zu machen, dass sie die letzten Patrioten im Kampf gegen den Islam sind. Sie wären diejenigen, die das Abendland verteidigen müssten. Aber diese angeblichen Patrioten, die sich hinein fantasieren in Überfremdungsphantasien, haben vor allem eines nicht verstanden: Ihr Handeln hat mit dem Denken des Abendlandes nichts zu tun.
Das Abendland – so diffus dieser Begriff auch ist – steht vor allem für die große Tradition der Aufklärung und Toleranz. Pegida will weder Aufklärung noch Toleranz. Pegida will Ausgrenzung, Abschottung und Rassismus. Pegida steht nicht für abendländische Tradition – Pegida steht einzig und alleine in der Tradition derjenigen Rassisten, die zu allen Zeiten Sündenböcke konstruiert haben, wenn ihnen die Welt zu unübersichtlich wurde. Pegida will nicht die offene abendländische Tradition – Pegida will sie beenden.
Die letzte große rassistische Welle, die durch Deutschland ging, haben wir in den Jahren 1992 – 1993 erlebt. Wir alle erinnern uns an die Morde und Brandanschläge von Moelln, Solingen, Rostock-Lichtenhagen. Damals hat die offizielle Politik Verständnis für den pöbelnden Mob auf den Straßen gehabt, ist vor ihm eingeknickt und hat das Grundrecht auf Asyl abgeschafft. Diese Abschaffung des Asylrechts hat die rechte Szene jahrelang als ihren politischen Erfolg gesehen. Dieser furchtbare Erfolg hat die rechtsextreme Szene und die Rassisten aller Couleur über Jahre angestachelt. Mehr als 180 Menschen wurden seitdem von rechtsextremen Schlägern in Deutsch-
land ermordet. Die Mitglieder des sog. Nationalsozialistischen Untergrundes, NSU, von denen einige derzeit in München vor Gericht stehen, wurden damals politisiert und haben sich in ihrem Denken bestätigt gefühlt. Das Ergebnis waren 10 Morde, davon neun an Migranten und mehrere Bombenanschläge mit Dutzenden von Verletzten.
Pegida versucht eine rassistische Massenbewegung zu werden. Aus der letzten großen rassistischen Welle von vor gut 20 Jahren können wir alle eines lernen: Wer Rassisten nicht rechtzeitig entge-
gentritt, wird Gewalt und Terror gegen Migranten ernten.
Das ist eine der Lehren aus der rassistischen Welle von 1992, und deshalb habe ich kein Verständ-
nis, wenn Politiker wie Innenminister De Maiziere sich hinstellen und Verständnis zeigen für die Ängste und Sorgen der Pegida-Mitläufer. Ich will auch nicht akzeptieren, wenn sich beispielsweise die katholische Kirche nicht klar gegen Pegida ausspricht.
Allen, die nicht wissen, wo sie Pegida ansiedeln sollen, kann ich Pegida übersetzen:
Pegida ist nur eine neue verschwurbelte Abkürzung für den Begriff Rassismus. Da gibt es nichts zu interpretieren. Die Politiker, die alle sagen, man müsste die Ängste der Menschen ernst nehmen, haben vor allem selber Angst, dass diese Menschen sie irgendwann nicht mehr wählen könnten. Liebe Politiker der großen Parteien, ich sage es Euch gleich: Diese Menschen wählen Euch eh nicht. Die wählen AfD und REPs und NPD oder gehen gar nicht wählen.
Pegida will gar nicht moderat daherkommen. Pegida will Migranten aus Deutschland rauswerfen und die Grenzen dichtmachen. Pegida will als Massenbewegung agieren. Und je mehr so getan wird, als ob Pegida ein ernsthaftes demokratisches Anliegen hat, um so mehr holen wir den Rassismus von Pegida in die Mitte der Gesellschaft. Wer so tut, als ob über den Rassismus von Pegida ernsthaft diskutiert werden müsste, um so mehr wird so getan, als ob das rassistische Denken von Pegida Teil eines ernsthaften demokratischen Diskurses wäre. Demokratie heisst: Gleiche Rechte für alle. Explizit das wollen Pegida-Anhänger nicht.
Es ist ein großes Zeichen, dass heute viele Tausend MünchnerInnen hier stehen, bevor eine Pegida oder Bagida oder Mügida-Demo in München stattfindet. Ich danke den InitiatorInnen. Es zeigt: Wenn Pegida hier seine rassistischen Parolen verbreiten will, werden wir alle wieder da sein und ihnen entgegentreten. Denn in einem Abendland, in dem Pegida mehrheitsfähig wäre, wollen wir alle nicht leben.
Vielen Dank
Siegfried Benker
als Manuskript zugeschickt am 23. Dezember 2014