Flusslandschaft 2015

Kunst/Kultur

Jahrelang glaubt die Klassik-Gemeinde, dass München einen neuen Konzertsaal bekommt. Er könnte auf der Museums-Insel stehen oder auf dem Finanz-Garten. Da entscheiden Minister-
präsident Seehofer und Oberbürgermeister Reiter, dass der Gasteig für einen neuen Konzertsaal umgebaut wird. Beinahe 15.000 Menschen protestieren online und am Samstagabend, 7. Februar, stehen Bauarbeiter vor der Philharmonie im Gasteig, spannen ein Absperrband und halten Schil-
der hoch: „Vorsicht Grube“. Ein Mann ruft den Besuchern des Abokonzerts zu „Wir beginnen jetzt abzureißen“. Es sind Mitglieder des Theaters am Sozialamt (Tams), die hier agieren. Ihre Aktion bekommt viel Zustimmung.

SPIELART präsentiert vom 32. Oktober bis 7. November SPIELART: „Die Welt rückt näher: ISIS-
Rekruten, das Ebola-Virus, die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, die Griechenland- und Eurokrise. Flüchtlinge sterben an Europas Grenzen und zugleich wachsen rechtspopulistische Parteien, Gewalttaten gegen Asylbewerber nehmen zu, Standpunkte verhärten sich, Feindbilder sind wieder „in“, die Sprache wird kriegerisch. Dem Monotheismus „alternativloser“ Politik, propa-
gandistischen Tendenzen, simplifizierenden Welterklärungen und Sprachmustern setzt SPIELART eine transnationale Vielstimmigkeit entgegen. Die eingeladenen SPIELART-Künstler schaffen für 16 Tage ein Tableau vivant unserer Zeit. Vielfältige performative, installative und partizipative Formen der Welt- und Selbstbefragung vermitteln und provozieren Diskurse fernab der üblichen politischen Statements. – Im ersten Teil des Festivals legen wir den Fokus auf außereuropäisches Theater. Der kongolesische Künstler Dieudonné Niangouna artikuliert seinen Zorn auf Europa und die Korruption im eigenen Land, Akira Takayama die unbewältigten Vorgänge der menschenge-
machten Katastrophe von Fukushima. Die libanesischen Theatermacher Rabih Mroué und Tania El Khoury erzählen hautnah Lebensgeschichten aus dem Bürgerkrieg. Das mexikanische Teatro Linea de Sombra schildert eine alptraumartige Flucht durch die Wüste nach Texas und Mamela Nyamza aus Südafrika spürt in extravaganten Kostümen Klischees über afrikanische Frauen nach. Dabei können die Formate und Stilmittel nicht unterschiedlicher sein: Sie reichen von der Video-
installation mit der aktuellsten 4K-Technologie über explosive Sprachkaskaden, Stimmen aus dem Erdreich bis hin zur Begegnung zwischen Künstler und einzelnen Zuschauern an einem geheimen Ort. – Zu diesem außereuropäischen Fokus setzen wir zwei Kontrapunkte: Zum einen die Need-
company, die, ausgehend von den Familienstammbäumen der Company-Mitglieder, eine alterna-
tive Weltgeschichte schafft – ein deutliches Statement gegen nationalistische Geschichtsverkür-
zungen. Einen weiteren Kontrapunkt bildet, unter Beteiligung von Kuratoren und Vortragenden aus vier Erdteilen, die Auseinandersetzung über den eigenen oft euro-zentristischen Standpunkt im Rahmen des Symposiums SHOW ME THE WORLD. – Breit zeigt sich das Spektrum der Themen und Formen beim Festivalschwerpunkt ART IN RESISTANCE am zweiten SPIELART-Wochenende. Seit 2009 haben wir zu unterschiedlichen Themen Künstler und Aktivisten zu Performance- und Diskursplattformen eingeladen. Auch andernorts haben vielfältige Veranstal-
tungen zu Artivismus und politischer Kunst stattgefunden. Dies war Anlass für uns, noch einmal Grundlagenforschung zu betreiben und einen weltweiten Open Call auszuschreiben. Aus über 800 Vorschlägen zeigen wir 40 größtenteils eigens für SPIELART produzierte Arbeiten in den Foyers und Räumen des Gasteig: Installationen, partizipative Projekte, Performances, Videos, Lectures, Diskussionen, Fotos und Plakate. Parallel werden an anderen Festivalorten kuratierte Theaterpro-
jekte zu sehen sein – unter anderem die PROLETENPASSION 2015 ff., die uns in 65 Liedern die Geschichte der Klassenkämpfe von unten näher bringt, die epischen Projekte THE CIVIL WARS und THE DARK AGES von Milo Rau, sowie eine Schlafzimmerperformance mit psychiatrischen und polizeilichen Untersuchungsakten – Die zweite Festivalwoche ist vor allem neueren Projekten gewidmet, die unter dem Label „New Works“ aktuelle künstlerische Positionen aus Johannesburg, Priština, Utrecht, Wien, Berlin/Tel Aviv vorstellen – und außerdem drei Uraufführungen von Ulrich Eisenhofer & Benno Heisel, Anna Konjetzky und satellit produktion, allesamt aus München. – Zum Festivalende laden wir in einer Gemeinschaftsaktion mit den Münchner Kammerspielen die Münchner Bürger ein, bei der WELT-KLIMAKONFERENZ von Rimini-Protokoll die Rolle der Delegierten zu übernehmen, genau 14 Tage, bevor vom 30. November bis 11. Dezember 2015 die nächste Weltklima-Konferenz in Paris stattfindet, von man sagt, dass dort die letzte Chance be-
steht, das Ruder noch einmal herumzureißen. – Zwischen diesen Festivaletappen zeigt uns Iggy Malmborg, wie man auf Kommando eine Erektion bekommt, Markus&Markus, was man über Sterbehilfe wissen sollte, Juha Valkeapää, wie man zu einer Henkersmahlzeit kommt und am letzten Abend bereiten uns Ariel Efraim Ashbel and friends einen irrlichternden Trip in eine ungewisse Utopie.“1

BILDENDE KUNST

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Michael Heininger: „Nach jahrelangen Recherchen und unendlich vielen Reisen durch bairische Jagdreviere ist es mir gelungen, Hochstände bekannter und wichtiger Jäger aufzufinden und mit Acryl auf Leinwand zu bannen. Außerdem zeige ich bedeutende Jagdessen und Jagdassoziationen. (Der Hochstand als Zeichen der Macht und der Potenz. Was geht in uns vor, wenn wir über Leben und Tod bestimmen können ? Freilich, schießen und schützen gehören zusammen. Daher der Schütze. Zu fragen ist nur immer, wer hier warum und wovor geschützt werden soll. Es gibt Natur-
schützer – wir wissen es – die haben kein Brett vorm Hirn, sondern einen ganzen Jägerzaun. Zitat: Manfred Ach) Die Ausstellung in Nymphenburg (ehemaliges Jagdrevier bairischer Herzöge) wird vom 15. – 17. Mai gezeigt. Die Kürze der Ausstellung liegt in der Vergänglichkeit der ausgestellten Naturalien. Waidmann’s Dank für ihren Besuch!“ – Einladung zur Ausstellungseröffnung „Anstän-
de und kleine Schweinereien“. Bilder und Objekte von Michael Heininger am Freitag, 15. Mai 2015, um 19.00 Uhr im Kulturpavillion Neuhausen, Arnulfstr. 294 …

(zuletzt geändert am 12.10.2020)


1 Zeit und Ort findet Ihr auf www.spielart.org/index.php?id=11.

2 Privatsammlung

Überraschung

Jahr: 2015
Bereich: Kunst/Kultur