Materialien 2006

Vom Segen der Lohnzuschüsse

Unsere Politiker reden wieder über staatlich geförderte Arbeitsplätze; Lohnzuschüsse aus Steuer-
mitteln. Sie gehen wohl davon aus, dass es Menschen auf dem Arbeitsmarkt gibt, die einem Unternehmer ohne zusätzlichen Anreiz nicht zumutbar sind. Damit meinen sie nicht etwa abge-
halfterte Politiker, die in ihrem Politikerleben gezeigt haben, dass sie alles tun, was ihnen nützt und nichts, was dem Volke dient, sondern sie meinen mich oder dich.

Stell dir vor, ich gehe als Unternehmer auf den Arbeitsmarkt bummeln und schau mir die
Sonderangebote an.

Da hängen ein paar unausgebildete Jugendliche rum; leicht angestaubt, unqualifiziert. „Die können Sie zum Spottpreis haben“, sagt der Verkäufer. „Wir geben was dazu, wenn Sie die nehmen.“

Ein Regal ist voll mit Älteren, alle schon über vierzig. Die sind schon lange da. Das sieht man. „Heute besonders günstig“, lockt der Verkäufer. Bei denen müssen Sie sich auf nichts festlegen. Können sie jederzeit zurückbringen. Und kriegen noch Geld obendrauf …“

„Aber wir haben noch was Feines für sie“, meint er dann. „Leicht beschädigte Ware. Gibt ganz dolle Zuschüsse. Wir zahlen sogar noch die Einrichtung geeigneter Arbeitsplätze. Sie hören richtig, wie’s in Ihrer Kasse klingelt, wenn Sie die mitnehmen. Und glauben Sie’s nicht, wenn Ihnen einer sagt, die wird man nicht mehr los. Am Anfang können Sie jederzeit umtauschen … und später ist es auch kein Problem. Die Integrationsämter wissen mittlerweile auch, für wen sie da sind.

Obendrauf packen wir Ihnen dann noch eine bunte Mischung; alles, vom Professor bis zum
Hilfsarbeiter. Für einen Euro pro Stunde muss der Ihnen alles machen, für was sie kein Geld ausgeben wollen.“

Ich packe mir den Einkaufswagen voll. So günstig wie heute hab ich noch nie eingekauft. An der Kasse kriege ich glatt noch was raus.

Es hat sich wirklich gelohnt, dass wir jahrelang nicht ausgebildet haben, keine Älteren und keine Schwerbehinderten beschäftigt haben, die Arbeitslosen arbeitslos gelassen haben. Und dass wir immer wieder betont haben, dass man die alle für nichts brauchen kann; nicht ausbildungsfähig, nicht vermittlungsfähig und zu teuer.

Deshalb werden sie uns heute nachgeschmissen. Niemand kommt mehr auf die blöde Idee, wir Unternehmer müssten für Arbeit so viel zahlen, dass man dafür auch leben können muss.

Wenn ich jetzt meine Einkäufe in den Betrieb bringe, werde ich gleich dafür sorgen, dass wieder ein paar Teurere in die Regale kommen. Die kann ich mir später dann mal wieder billig holen.

Knut Becker


Knut Becker, Zeitung vom 17. Oktober 2006. Texte von einem ganz normalen Tag, Rothenbuch 2007, 22 f.