Materialien 1995
Ablehnungsbescheid
Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
Auszug aus einem Bescheid (Ablehnung) eines Asylsuchenden aus Togo vom 17.2.1995 (Nürnberg)
… Eine offene staatliche Verfolgung von Oppositionellen in Togo gibt es nicht. Immer wieder unterlagen jedoch in den letzten Jahren sowohl exponierte Persönlichkeiten von Oppositions-
parteien wie auch aktive Parteimitarbeiter Drohungen und tätlichen Angriffen auf Leib und Leben durch staatliche bzw. der Regierung nahestehende, aber als solche nicht offen auftretende Kräfte.
Grundsätzlich gilt, dass der Grad einer Verfolgungsgefahr in Relation zur Intensität der politischen (oppositionellen) Betätigung steht. Prominente Oppositionspolitiker sind in der Regel mehr ge-
fährdet, aber auch einfache Sympathisanten können der Verfolgung unterliegen. Die bloße Mit-
gliedschaft in einer politischen Partei ist dagegen nicht automatisch Verfolgungsgrund. Einer Ge-
fährdung der Verfolgung können auch politisch nicht aktive Personen unterliegen, die durch ihr – rechtlich korrektes – amtliches oder privates Handeln Vertreter der Opposition begünstigen (siehe Auswärtiges Amt vom 21.09.94 – Az.: 514-516.80/3)
Der glaubhafte Teil der Darstellung des politischen Verhaltens des Antragstellers in Togo begrün-
det aus o.a. Erläuterungen die Feststellung, dass der Antragsteller im Fall seiner Rückkehr nach Togo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
Soweit der Antragsteller seine behauptete Verfolgungsfurcht darauf stützt, dass Familienangehö-
rige angeblich politische Verfolgung erlitten haben, kann sich dieses Vorbringen schon deshalb nicht asylbegründend auswirken, weil nur eine gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungsmaßnahme für sein Asylbegehren von Bedeutung ist. Eine gegen ihn gerichtete politische Verfolgungsmaßnah-
me hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft dargetan.
Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Familienangehörige aufgrund enger persönli-
cher Verbundenheit in einer stets in Betracht zu ziehenden besonderen potentiellen Gefährdungs-
lage befinden, wonach der hinsichtlich eines Familienangehörigen bestehende Verfolgungsgrund auf den anderen Familienangehörigen in der Weise durchschlagen kann, dass er für das Familien-
mitglied zum eigenen Verfolgungsgrund wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Verfolgerstaat das zurückbleibende oder zurückkehrende Familienmitglied stellvertretend für den politisch Ver-
folgten nach Art einer Geisel in Anspmch nimmt (grundlegend BVerwG, EZAR 204 Nr. 2).
Obwohl „amnesty international“ in seinem Bericht an das Bayerische Verwaltungsgericht vom 18.02.1994 Fälle von Sippenhaft in Togo schildert, kann vom vorliegenden Sachverhalt nicht davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteiler in Togo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfol-
gung durch Sippenhaft droht.
Richtiggehende Sippenhaft (gerade auch als Repressalie) ist in Togo seit dem Ende der unum-
schränkten Diktatur im Jahr 1991 nicht mehr üblich. In der Zeit vor 1991 richtete sich die Sippen-
haft vorrangig gegen die Familien der prominenten Regimegegner. Derzeit ist jedoch davon aus-
zugehen, dass die Angehörigen von solchen Oppositionellen, die von den verfolgenden Stellen als besonders gefährlich eingestuft werden, relativ häufig den Nachforschungen und gegebenenfalls auch den Beschuldigungen dieser Stellen ausgesetzt sind (siehe Auswärtiges Amt an das Verwal-
tungsgericht Düsseldorf vom 19.09.94 – Az.: 514-576/18029).
Dem Vortrag des Antragstellers ist jedoch nichts zu entnehmen, das darauf hinweist, dass der Antragsteller einem o.a. Personenkreis zuzuordnen wäre.
Vorfluchtgründe konnte der Antragsteller somit nicht glaubhaft machen. Auch Nachfluchtgründe stehen ihm nicht zur Seite.
Wolfram Kastner/Franz Kochseder, Vergessen – eine deutsche Straße – Weg nach Dachau – ein Ausstellungsprojekt. 31.3 – 14.5.1995, München 1995, 73.