Materialien 2015

Verabschiedung des BfV in den Ruhestand

Heute verabschieden wir einen engagierten Streiter für die Sicherheit der Bundesrepublik in den wohlverdienten Ruhestand. 64 Jahre lang hat er sich eingesetzt für die Freizeitlich Demagogische Grundordnung im Sinne der Beständigkeit von Reich und Reichtum.

Als der Verfassungsschutz am 7. November 1950 seinen Dienst antrat, herrschte in Europa der Kalte Krieg. Die Aufgaben, die auf ihn warteten, waren gewaltig. Deutschland war geteilt und viele waren geteilter Meinung, was die rechte Ordnung in der Bundesrepublik sein sollte. Schwierig war zu Beginn vor allem die Aquisition von Personal. Glücklicherweise konnte der Verfassungsschutz aber auf erfahrene Kräfte früherer Geheimdienste zurückgreifen. So begann er seine Arbeit sofort mit großer Sachkompetenz.

Auch Rückschläge musste er bereits zu Beginn seiner Geschichte verkraften. So misslang 1954 der Versuch seines ersten Präsidenten Otto John, die DDR zu infiltrieren, trotz seines hohen persön-
lichen Einsatzes. Bis heute ranken sich zahlreiche Legenden um diese mutige Aktion, die das Bundesamt 1956 mit der erfolgreichen Heimholung Johns abschloss.

Große Aufgaben wuchsen dem Verfassungsschutz in den 70er Jahren mit dem „Radikalen-Erlass“ zu. Die gigantische Aufgabe, alle Anwärter vor einer Übernahme ins Beamtenverhältnis lückenlos auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen, hat er in beeindruckender Weise erfüllt. Notfalls hat er – wie im Falle von Hans Roth – mit fingierten Dokumenten mitgeholfen, ungeeignete Bewerber beispielsweise aus dem Schuldienst fernzuhalten.

Mit dem RAF-Terrorismus kam in der zweiten Hälfte der 70er Jahre eine weitere schwierige Auf-
gabe hinzu. Auch sie hat der Verfassungsschutz ordentlich bewältigt. Geradezu genial war sein Plan, einem V-Mann eine Legende zu verschaffen, indem er eine Wand der Justizanstalt Celle sprengte. Leider konnte der Verfassungsschutz nicht verhindern, dass diese großartige Aktion öffentlich wurde und unter dem Stichwort „Celler Loch“ wiederholt gegen ihn missbraucht wurde.

Ausländische Extremisten und Terroristen bildeten ein weiteres neues Betätigungsfeld für den Verfassungsschutz. Seine Weltgewandtheit half ihm dabei, auch diese Aufgabe voll zu erfüllen. Erfreulicherweise bekam er dazu Unterstützung befreundeter und konkurrierender Stellen. Nur dank dieser Kooperation stehen wir heute vor dem Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin, wo auch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit seiner Berliner Dependance einen geeigneten Unterschlupf gefunden hat.

Glücklicherweise erfreute sich der Verfassungsschutz in seiner Geschichte immer der Unterstüt-
zung rechts ordnungsliebender Politiker. So ist das störende Trennungsgebot im Grundgesetz gottseidank großzügig ausgelegt und letztlich im Archiv der Geschichte abgelegt worden. Wie sagte dereinst doch der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble so treffend: „Die Verfassung ist eine lästige Fessel.“

Den Schutz der Politik und der Sicherheitsbehörden vor dieser Fessel hat sich der Verfassungs-
schutz dann auch auf die Fahnen geschrieben. Vor allem linke Socken fürchten die effektive Arbeit der Kölner Behörde seit Jahren zu Recht. Nazi-Organisationen und Parteien hingegen genießen die wohlwollende Aufmerksamkeit des Kölner Bundesamts. Angesichts seiner Gründungsgeschichte fiel es dem Verfassungsschutz hier besonders leicht, Fuß zu fassen und wohl funktionierende Strukturen aufzubauen. Zeitweilig besaßen die V-Leute der verschiedenen Verfassungsschutzbe-
hörden in der Berliner NPD sogar eine satzungsändernde Mehrheit, die sie glücklicherweise nicht zur dadurch möglichen Auflösung des Landesverbands missbraucht haben.

Trotz schweren Gegenwinds hat der Verfassungsschutz bei der Aufklärung der bedauerlichen Zwischenfälle des Nationalsozialistischen Untergrunds seinen Informanten- und Quellenschutz konsequent durchgehalten. Ohne die strikte Einhaltung dieses Prinzips kann schließlich kein Geheimdienst der Welt überleben.

So wäre der Verfassungsschutz durchaus gewappnet für die Zukunft, wären da nicht die lästigen NSU-Untersuchungsausschüsse vor allem der Länderparlamente. Dennoch bemüht sich die Kölner Behörde tapfer, die Bundesrepublik Deutschland vor der vollständigen Verwirklichung ihrer Ver-
fassung zu schützen.

Bei all diesen tapferen Taten kann jeder indes leicht ermessen, dass der Verfassungsschutz müde und ausgelaugt ist. Gerade der Schutz der rechten Gesinnung vor linken Systemveränderern hat doch viel Kraft gekostet. So verabschieden wir unseren treuen Verfassungsschutz heute in Rente, damit er endlich ausruhen kann von all der anstrengenden Arbeit. Leider wird seine Stelle im Zuge der voranschreitenden Demokratisierung eingespart unter dem Slogan: „Der beste Verfassungs-
schutz ist das Volk.“

Bevor er nun in den Ruhestand geht, wollen wir ihm den Rentenbescheid überreichen und ihm für seine unermüdliche Arbeit zum Wohle der Gemeinheit danken. Danke, Verfassungsschutz, für Duckmäusertum, die Finanzierung neofaschistischer Organisationen und deine Definition von Meinungsfreiheit, wonach die Bürger am besten frei von jeder eigenen Meinung sein sollten!

Werner Koep-Kerstin


zugeschickt am 1. November

Überraschung

Jahr: 2015
Bereich: Bürgerrechte