Flusslandschaft 1992
Kapitalismus
Was ist, wozu dient der Staat? Das Kapital, solange es seiner eigenen Logik von Gewinn und Ver-
lust folgt, ist nicht in der Lage, den Kapitalismus als Gesellschaftssystem aufechtzuerhalten. Um den Fortbestand einer arbeitenden Klasse, das reibungslose Funktionieren von Märkten zu ge-
währleisten, den ökologischen Kollaps zu verhindern, ist es auf den Staat angewiesen. Der Staat nimmt also eine regulierende Funktion ein. Das, was wir üblicherweise »Kapitalismus« nennen, ist eine Doppelformation aus Kapital und Staat.
Es heißt, ein Mann aus den „Neuen Bundesländern“ „habe sich bei einer Westfirma um eine der besseren Stellen bemüht. In seinem Bewerbungsschreiben habe er erwähnt, dass er schon immer kritisch gegenüber dem SED-Staat eingestellt und deshalb niemals Mitglied der Partei oder einer der Massenorganisationen war. Er habe eine Absage erhalten. Da er weder in der SED gewesen sei noch in einer anderen wichtigen gesellschaftlichen Funktion gearbeitet hätte, schrieb das Unter-
nehmen, sei davon auszugehen, dass es ihm sowohl an Karrierebewusstsein als auch an Anpas-
sungsfähigkeit mangele. – Falls die Geschichte nicht stimmt, ist sie dann etwa auch nicht wahr?“1
1 Michael Stötzel: „Ein Klima der Bekenntnisse“ In: links. Sozialistische Zeitung 262 vom März 1992, 24.