Flusslandschaft 2016

Gewerkschaften/Arbeitswelt

DGB

– Banken
– Deutsche Bahn
– Flughafen
– Metall- und Elektroindustrie
– Öffentlicher Dienst
– Verkehrsbetriebe


DGB

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Samstag, 6. Februar, 20.37 Uhr, Lerchenauer Straße vor dem BMW-Werk

„Immer wieder – zuletzt in ver.di publik 8_2015 der Kollege Baalhorn – beklagen sich Leser darü-
ber, dass ‘eine Gewerkschaft sich … mit politischen Themen’ befasst und meinen, sie sollte sich nur mit ‘den arbeitsrechtlichen Belangen ihrer Zielgruppe befassen’. Dem ist entgegenzuhalten, dass es mehr und mehr politische Entscheidungen sind, welche Einkommensverluste der Arbeitnehmer zur Folge haben, Entscheidungen, die gar nicht dem Arbeitgeber in seiner Funktion als Tarifpart-
ner zuzurechnen sind. Nur drei Beispiele: Ausgliedern von Unternehmensbereichen in Billigtöch-
ter zwecks Tarifflucht und Lohnsenkung, Privatisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge oder Einfrieren des Beitragsanteils der Arbeitgeber zur Krankenversicherung mit der Konsequenz, dass alle Beitragssteigerungen nur noch von den Arbeitnehmern zu bezahlen sind. – Nichts davon kann Gegenstand von Tarifverhandlungen sein. Vielmehr haben es die Arbeitgeber mit erfolgreicher Lobby-Arbeit vermocht, hierzu politische Entscheidungen in ihrem Sinne herbeizuführen. Auch der Kampf um den – sehr bescheidenen – Mindestlohn konnte nicht als arbeitsrechtliche oder Ta-
rifauseinandersetzung geführt werden, sondern musste auf der politischen Bühne erfolgen, und die noch bevorstehende Zunahme katastrophaler Altersarmut (für viele schon heute bittere Realität) ist politischen Entscheidungen geschuldet, z.B. Rentenabsenkung durch demografischen Faktor, private Vorsorge-Modelle, die außer den Versicherungsunternehmen kaum jemandem nutzen, Ab-
senkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent etc.. – Eben dies habe ich auch in einem Leserbrief auf eine ähnliche Kritik in der Süddeutschen Zeitung im Zusammenhang mit unserem letzten Bundes-
kongress geschrieben und hinzugefügt: ‘Die ver.di-Kollegen liegen also richtig, wenn sie nicht mehr nur die Tarifauseinandersetzungen mit den Arbeitgebern führen, sondern auch politische Fehlent-
wicklungen bekämpfen wollen … ich wünschte, sie würden sich angesichts von Finanzkrise und zu-
nehmender Armut endlich auch der Systemfrage widmen!’ (sz vom 5. Okt. 2015) – Bernd Schröder, Mitglied im Landesseniorenausschuss und Landesfachbereichsvorstand FB 13 in Bayern“2

Am Donnerstag, 10. März, ist ein bundesweiter Aktionstag der Arbeitslosen! Geplant sind von Sei-
ten der Bundesregierung bei der so genannten Rechtsvereinfachung von Hartz IV viele Verände-
rungen, darunter auch erhebliche Verschlechterungen für Leistungsberechtigte. Es kommt jetzt drauf an möglichst viel Druck gegen drohende Verschlechterungen und für eine Abschaffung bezie-
hungsweise Entschärfung der Sanktionen (Strafen) zu machen. Die Vernetzung der Arbeitslosen-
initiativen in Oberbayern demonstriert von 13 bis 15 Uhr vor der BayernSPD-Landesgeschäftsstel-
le, Oberanger 38, in der Nähe vom Sendlinger Tor unter der Schlagzeile „Frau Nahles, was ist mit der Entschärfung der Sanktionen? – Fehlanzeige!“.


1995 arbeiteten deutschlandweit 18,7 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnbereich, seit 2013 sind es fast 25 Prozent. Ein Grund: In den 1970er Jahren waren 90 Prozent der Betriebe tarifge-
bunden, heute sind es 51 Prozent in West- und 37 Prozent in Ostdeutschland. Der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen nimmt immer mehr zu, in allen Branchen, ob Automobilhersteller, Schlachthöfe, am Bau, im Einzelhandel und in Krankenhäusern, in Schulen und Verkehrsbetrie-
ben. So werden Hunderttausende Kolleginnen und Kollegen schlechter bezahlt und schlechter be-
handelt als die Stammbelegschaft – und damit zum Lohndumping missbraucht. Im Koalitions-
vertrag haben Union und SPD zugesagt: „Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit wer-
den wir verhindern.“ Der Gesetzentwurf wurde von der CSU gestoppt. Jetzt bekommen die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer: NICHTS.
› Weil die CSU den Koalitionsvertrag nicht erfüllen will.
› Weil die CSU Zwei-Klassen-Belegschaften nicht verhindern will.
› Weil die CSU Lohndumping nicht wirksam bekämpfen will.
› Weil die CSU den Missbrauch von Werkverträgen nicht beenden will.
› Weil die CSU gleiche Löhne für Leiharbeiter nach 9 Monaten verhindern will.
› Weil die CSU erlauben will, dass Leiharbeiter als Streikbrecher missbraucht werden dürfen.
› Weil Arbeitgeber und Wirtschaft Druck auf die CSU machen, um weiter Lohndumping betreiben zu dürfen.
Wo ist das wirksame Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen?

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) steht an der Spitze der Demonstration am Ersten Mai.3


+ + + „Die Kündigung von ‘Low Performern’“ + + + „So flexibilisieren Sie Ihre Arbeitsverhältnisse“ + + + „So werden sie ihren Betriebsrat los“ + + + Damit bewirbt die Anwaltskanzlei Schreiner & Partner bundesweit ihre Schulungsseminare für Arbeitgeber_Innen, Personaler_Innen und leiten-
de Angestellte. Dort bringen ihnen die Jurist_Innen bei, wie sie gegen Betriebsrät_Innen und Ge-
werkschafter_Innen vorgehen und die Rechte ihrer Beschäftigten aushebeln können. Im Septem-
ber veranstaltet Schreiner&Partner wieder einmal mehrere solcher Praxisseminare im Hotel Do-
rint Airport
in Freising. Schreiner&Partner wollen ein ganzes Repertoire an Methoden vermitteln, um Arbeitnehmer_Innen zu drangsalieren und Betriebsräte anzugreifen wie einige Beispiele aus deren Seminarplan zeigen:
- Krankheit und Fehlverhalten als Kündigungsgrund
- So gestalten sie kreativ Kündigungsgründe
- Lohnkürzungen durch betriebsbedingte Änderungskündigung
- Wie löse ich einen bestehenden Betriebsrat auf?
- AntiGewerkschaftsstrategie: So reduzieren Sie den Einfluss von Gewerkschaften im Betrieb
Die Masche ist klar: Arbeitsrecht biegen, Arbeiter_innen bespitzeln, gezielt mobben, Solidarität unter den Beschäftigten bekämpfen! Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Unternehmen gezielt Psychoterror gegen Angestellte und Betriebsrät_Innen ausübten. Dabei ist ein Betriebsrat gesetz-
lich verankert und demokratisch gewählt, um die Angestellten im Betrieb gegenüber den Arbeit-
geber_Innen zu vertreten. Es ist das Recht aller Lohnabhängigen, sich in Gewerkschaften für ihre Interessen zu organisieren. Was Schreiner&Partner schulen, ist der gezielte Angriff auf die Rechte von Beschäftigten. Auf der Abschussliste stehen Arbeitnehmer_Innen auch, wenn sie zu wenig Leistung bringen können („Low Performer“). Wenn ein Angestellter schwer erkrankt, ist das im Jargon von Schreiner&Partner ‘störendes Arbeitnehmerverhalten’. Dagegen empfiehlt die Kanzlei den Einsatz von Privatdetektiven, Videoüberwachung und Datenschnüffelei, um Beschäftigte kostengünstig loszuwerden. Der Journalist Günter Wallraff hat aufgedeckt, dass eine Referentin sogar vorschlug, den Vorwurf der sexuellen Belästigung zu konstruieren, um leichter kündigen zu können! Es ist kein Zufall, das diese Methoden in den Betrieben zunehmen. Aufgrund der Krise geraten die Unternehmen in verstärkte Konkurrenz untereinander, versuchen Kosten zu drücken mit Befristungen, Zeitarbeit, Lohndumping und Entlassungen. Um das durchsetzen zu können, müssen sie den Widerstand der Beschäftigten schwächen. Die Kundgebung am Mittwoch, 28. September, ab 9.30 Uhr vor dem Dorint Hotel Airport München, Dr.-von-Daller-Str. 1-3, Freising (Nähe Bahnhof) fordert: Fristlose Kündigung für Schreiner&Partner und ihre Methoden! Schluss mit den betriebsrats- und gewerkschaftsfeindlichen Schulungen im Hotel Dorint!4

BANKEN

Die Arbeitgeber haben 2,8 Prozent bei einer Laufzeit von drei Jahren angeboten. Und die ersten fünf Monate soll es beim alten Gehalt bleiben. Wer rechnen kann, stellt fest, dass unter dem Strich gerade mal 0,85 Prozent pro Jahr mehr rausspringen. Ver.di fordert 4,9 Prozent. Am Donnerstag, 7. Juli, demonstrieren ungefähr 700 Bankangestellte auf dem Stachus.

DEUTSCHE BAHN

Der Vorstand der Deutsche Bahn AG hat beschlossen, ab Dezember 2016 alle Nachtzüge zu strei-
chen. Begründung: Sie sind „unwirtschaftlich“. Die Nachtzüge zwischen den Großstädten sind ein wichtiger Teil im öffentlichen Fernverkehr: Bisher nutzen rund zwei Millionen Reisende jährlich dieses Angebot. Etwa 1.000 Arbeitsplätze sind damit verbunden. Am 8. Dezember protestieren Beschäftigte und Mitglieder vom Bündnis Bahn für alle ab 22 Uhr am Prellbock des Gleises 22 im Hauptbahnhof, auf dem der Nachtzug nach Hamburg und Amsterdam bereitgestellt wird, der um 23 Uhr abfährt.

FLUGHAFEN

Die Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München (SGM) gehört dem Freistaat Bayern. Die neu angeschafften Sprengstoff-Spürgeräte sind äußerst gesundheitsschädlich. Die rund 350 Beschäftig-
ten befinden sich am 27. April über alle Schichten im Warnstreik.

British Airways (BA) entlässt MitarbeiterInnen in deutschen Flughäfen. Eine billige Handling-Gesellschaft soll die Arbeiten übernehmen. Am 12. Dezember protestieren BA-Mitarbeiter am Ticketschalter mit einem großen Transparent: “British Airways Germany – for Sale? Ohne Service in die Zukunft! ver.di”

METALL- und ELEKTROINDUSTRIE

Bei der IG-Metall-Demonstration im Rahmen der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie fotografiert am 14. April Werner Rauch.5

ÖFFENTLICHER DIENST

Der Gesamtpersonalrat und die Gewerkschaft ver.di wollen die München-Zulage für die Beschäf-
tigten der Stadt verdoppeln. Diese soll in unteren Einkommensgruppen die hohen Lebenskosten in München ausgleichen und beträgt derzeit 120 Euro im Monat. Zudem wollen die Personalvertreter mit der Stadt einen Tarifvertrag über die Arbeitsmarktzulage abschließen. 26. April: In dieser Wo-
che kündigt die Gewerkschaft ver.di Streiks im Öffentlichen Dienst an. Neben Kitas nehmen am Dienstag auch Mitarbeiter von Krankenhäusern, des Abfallwirtschaftsbetriebs oder der Straßenrei-
nigung in München an den Arbeitsniederlegungen teil.

VERKEHRSBETRIEBE

Am 18. Juni demonstrieren mehrere Hundert Busfahrerinnen und Busfahrer beim Zentralen Om-
nibusbahnhof für faire Löhne. Viele von ihnen können in München nur mit Hilfe eines Nebenjobs überleben. Im öffentlichen Personennahverkehr konkurrieren verschiedene Arbeitgeber auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Löhne und Sozialleistungen dürfen aber nicht reduziert werden, damit der billigste Anbieter im Busgewerbe den Zuschlag erhält.

(zuletzt geändert am 10.3.2019)


1 Foto: Richy Meyer

2 ver.di publik 2/2016, 14.

3 Siehe Fotos vom „ersten mai“ von Günther Gerstenberg.

4 Elmar Wigand betreibt den Blog www.arbeitsunrecht.de und hat gemeinsam mit Werner Rügemer Netzwerke einschlä-
giger Akteure (Arbeitsrechtler, Unternehmensberater, Detekteien, gelbe Pseudo-Gewerkschaften) in den Blick genommen. Ihr Buch „Die Fertigmacher“ schildert deren Methoden und Strategien.

5 Siehe http://www.galerie-arbeiterfotografie.de/galerie/reportage/index.html.