Flusslandschaft 1972

Hausbesetzungen

Im November des letzten Jahres hat die Rote Hilfe Häuser in der Friedrichstraße und in der Adalbertstraße besetzt. Sie ruft dazu auf, ihrem Beispiel zu folgen:


„WOHNUNGEN SIND PROFITOBJEKTE.
SIE DIENEN DER BEREICHERUNG DER HAUSBESITZER.
In München fehlen 60.000 Wohnungen. Dagegen stehen einige Hundert Häuser leer. WARUM? Die Hausbesitzer wollen die alten, meist noch gut bewohnbaren Häuser abreißen, um profitbringende Betonklötze für Banken und Versicherungen oder kleine Appartements zu bauen. Kein Arbeiter kann die Wuchermiete für eine Appartementwohnung zahlen.
WAS WIR BRAUCHEN, MÜSSEN WIR UNS NEHMEN!
Ende November letzten Jahres besetzte die ROTE HILFE das seit Jahren leer stehende Haus in der Friedrichstrasse 23 und richtete dort ein Büro für Mieterberatung ein, in dem Bürger kostenlose juristische Beratung bei Mietwucher, Kündigung usw. erhalten konnten. Arbeiter, Studenten und eine 63-jährige Rentnerin, die alle keine erschwingliche Wohnung fanden, zogen ein und boten dem Hausbesitzer, einem Architekten namens Edelmann an, 10 % ihres Monatslohns für Miete zu zahlen. Der Hausbesitzer lehnte jedes Gespräch mit der ROTEN HILFE ab und ließ am Jahresende das Haus durch ein großes Polizeiaufgebot stürmen. 58 Hausbewohner wurden verhaftet. Die ROTE HILFE ließ sich durch den Polizeieinsatz nicht einschüchtern und besetzte einen Tag später ein anderes leer stehendes Haus in der Adalbertstraße 10. Noch am selben Tag räumten einige Hundertschaften der Polizei und verhafteten fünf Besetzer.
HAUSBESETZUNGEN SIND EIN AKT DES WIDERSTANDES GEGEN DIE WILLKÜR DER HAUSBESITZER! SIE KÖNNEN NATÜRLICH UNTER HEUTIGEN BEDINGUNGEN DAS WOHNUNGSPROBLEM NICHT LÖSEN.
ZU LÖSEN IST DAS WOHNUNGSPROBLEM NUR DURCH DEN UMFASSENDEN KAMPF FÜR EINE GESELLSCHAFTSORDNUNG, IN DER NICHT MEHR DIE PROFITINTERESSEN DER KAPITALISTEN ENTSCHEIDEN, SONDERN DIE BEDÜRFNISSE DER MENSCHEN.“
Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Im Juli besetzen Lehrlinge, Schüler und Mitglieder der Arbeitersache das Haus in der Trogerstraße 26 in Haidhausen, eine Verbindungsstraße zwischen Prinzregenten- und Einsteinstraße. Das angrenzende Klinikum rechts der Isar will sich vergrößern und kauft ein Haus nach dem anderen, „entmietet“ und lässt die Gebäude zunächst leer stehen. Etwa dreihundert Polizisten marschieren mehrere Wochen nach der Hausbesetzung auf, um das Haus zu räumen.1


1 Der Film zur Hausbesetzung in der Trogerstraße befindet sich im Archiv 451 im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung. Vgl. Interview Hella Schlumberger mit Christine Dombrowsky im Januar 1993, zwei Kassetten im Archiv 451 im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

Überraschung

Jahr: 1972
Bereich: Hausbesetzungen

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