Materialien 2016

für eine welt ohne hunger

Innovation Accelerator
des UN-Welternährungsprogramm – WFP -
Herr Bernhard Kowatsch
Buttermelcherstraße 16
80469 München

21. Juli 2016

Sehr geehrter Herr Kowatsch,

mit Interesse haben wir die Berichterstattung zur Eröffnung des Innovationszentrums des UN-
Welternährungsprogramms in München im Juli 2016 verfolgt, das mit 25 Millionen Euro für 5 Jahre u.a. durch den Freistaat Bayern und das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusam-
menarbeit unterstützt wird.

Herzlich willkommen in München; einer Stadt, in der es nicht nur viele Startup-Initiativen gibt, wohl eines der Kriterien für die Wahl Münchens als Standort des Innovationszentrums, sondern auch die langjährige, kenntnisreiche und fundierte Erfahrung einer Vielzahl von entwicklungspo-
litischen Organisationen und Gruppen.

Allein im Nord Süd Forum München, dem Netzwerk für das Eine-Welt-Engagement in München, sind über 60 Mitgliedsgruppen aktiv. Davon sind nicht wenige im Kampf gegen den Hunger enga-
giert. Wir sprechen lieber vom Engagement für Ernährungssicherheit und Recht auf Nahrung und weniger vom etwas eingeschränkten Begriff Kampf gegen den Hunger.

Spenden über Smartphones zu sammeln und so Lebensmittel für eine notleidende Bevölkerung zu kaufen, wie Sie am Beispiel der Stadt Homs darstellten, ist eine von vielen Möglichkeiten. Fragt man sich, warum dort Menschen hungern, kommt man an einer Tatsache nicht vorbei: weil dort ein brutaler Krieg geführt wird – und zwar mit Waffen bestimmter Länder, darunter Deutschland). Innovativ wäre, nach handfester Recherche hier als Maßnahme gegen den Hunger zu erreichen, dass als erster Schritt aus München / Bayern / Deutschland keine Waffen in die Konfliktgebiete und an -partner verkauft werden.

Für eine Welt ohne Hunger

Wir vermitteln Ihnen und dem Team gern einen kleinen Eindruck von Aktivitäten einiger Gruppen in München, die sich für eine Welt ohne Hunger engagieren:

FIAN Deutschland und die Münchener Lokalgruppe setzen sich aktiv für das Menschenrecht auf Nahrung ein. Das bedeutet u.a. den Kampf gegen Landnahme, das sog. Landgrabbing, das nicht nur in afrikanischen Ländern Hunger erzeugt.

EMAS-International befähigt Menschen in mehreren Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens, mit einfachsten Mitteln selbst Brunnen zu bauen, um Zugang zum wichtigsten Lebensmittel zu haben: Wasser.

Die PeruGruppe München unterstützte Partner dabei, im nördlichen Andengebiet Kleinbauern einer sehr trockenen Region durch einfachste Berieselungstechnik zwei Ernten pro Jahr einzu-
holen – und das entgegen der Meinung auswärtiger Wasserexperten, dass das nie funktionieren könne. Die Migrationsrate sank, weil die Menschen genug zum Essen haben.

Die Weltwirtschaft im Eine Welt Haus München e.V. ist z.B. eine Coca-Cola-freie Zone, weil dieses Unternehmen beispielsweise in Indien den Bauern das Wasser abgräbt.

Mehrere Organisationen unterstützen indigene Völker und deren Kampf gegen Megaprojekte und Monokulturen im Regenwald, wo Staudämme, Palmölplantagen, Sojafelder usw. Vertreibung be-
deuten und Hunger bringen.

Andere setzen sich für Instrumente wie REDD Indígena anstelle der offiziellen REDD*-Projekte zur CO-2-Reduzierung ein, weil in letzteren Projekten der betroffenen Bevölkerung oft keine Selbstversorgung mehr ermöglicht wird.

Einige Gruppen unterstützen Partnerorganisationen in Kolumbien oder Sibirien gegen den Kohle-
abbau. In München gibt es ein Netzwerk, das erreichen will, dass die kommunalen Stadtwerke keine Kohle mehr kaufen und verbrennen. Wo intensiv Kohle abgebaut wird, wächst nichts mehr.

Das Innovationszentrum des UN-Welternährungsprogramms konsumiert bio – regional – fair
Dass die Anschaffungen des neuen Zentrums global umwelt- und sozialverträglich getätigt sind und werden, setzen wir als selbstverständlich voraus; ebenso dass Glaubwürdigkeit durch Kohä-
renz im Arbeitsalltag der Innovativen hergestellt wird. Wir freuen uns auf Verstärkung aller konkreten Bemühungen für Nachhaltigkeit nach dem Motto: Von München soll kein Schaden ausgehen.

Viele Aktivitäten im Bereich – bio-regional verbinden diese mit dem Ansatz der Förderung des fairen Handels, der kleinbäuerliche Landwirtschaft fördert. Gleichzeitig wenden sie sich gegen Aktivitäten von Chemiefirmen wie Bayer, Syngenta, BASF, Monsanto, etc., die durch industrielle Landwirtschaft „grüne Wüsten“ schaffen bzw. durch Patentierung von Pflanzen alles andere als zur Verringerung des Hungers in der Welt beitragen.

In Europa sehen wir, dass auch Austeritätspolitik Hunger erzeugt; Beispiel Griechenland. Auch dank der bekannten wirtschaftlichen Auflagen der „Troika“ hungern heute griechische Kinder und Rentner. Ca. 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, etwa 100.000 Menschen besuchen täglich eine Suppenküche.

Kritische Beobachtung erfordern unseres Erachtens auch die Entwicklungspartnerschaften mit der Industrie (PPP) und das devolopPPP.de Programm. Das BMZ will damit den Ernährungssektor modernisieren, die Agrarproduktion steigern, die Verarbeitung sozial- und umweltverträglich machen und die Bevölkerung mit ausreichend Nahrung versorgen. Unsere Skepsis beruht auf den Erfahrungen, dass Modernisierung und Steigerung der Agrarproduktion einhergehen mit den Negativfolgen der sog. grünen Revolution oder jetzt mit der Green Economy. Stichworte dazu sind Landkonzentration, massiver Einsatz von Pharmaka und der Export der nunmehr teuren Produkte mit dem Ergebnis, dass der bäuerliche Produzent selbst sie sich nicht mehr leisten kann.

Kritisch ist auch zu fragen, wie sinnvoll im Kampf gegen den Hunger Nahrungsmittelkonzerne als Partner des Welternährungsprogramms sind; z.B. Metro-Walmart, Yumi Brands (weltgrößte Fastfood-Kette), DSM (größter Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln), Coca Cola, PepsiCo, Mars (vom Riegel über Reis und Kaugummi bis zum Tierfutter), Unilever, usw. usw.

Höhere Nahrungsmittelproduktivität ist nicht gleich weniger Hunger

Nehmen wir als Beispiel die Geflügelindustrie Brasiliens, eine der wichtigsten: Von 11 produzierten Kilogramm Geflügel kommen bereits heute 4 Kilo aus Brasilien. Geliefert wird in 150 Länder. Die beiden größten Geflügelkonzerne BRF und JBS schlachten jährlich rund 2,6 Milliarden Hühner. Nach einem sog. „Integrationssystem“ dürfen die Erzeuger ihre Hühner nur an diese Firmen ver-
kaufen. Es gibt Klagen über Sklavenverhältnisse in der Schlachterei und schlechteste Preise für die Bauern. Journalisten von Repórter Brasil berichten, dass für die Bevölkerung in diesen Hühnerre-
gionen nicht ausreichend Essen zur Verfügung steht. Kein Wunder, denn in solchen Proteinindu-
strien für die Ernährung der Welt stecken Mais und Soja.

Spenden mit dem Smartphone

Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch für die Herstellung der Smartphones Bodenschätze benötigt werden, die im schlimmsten Fall aus ausbeuterischer Kinderarbeit (Coltan in Afrika) oder illegaler Produktion (Gold z.B. im peruanischen südlichen Amazonasregenwald) stammen. Auch der Abbau im Bergwerk geht oft einher mit einer fehlenden oder manipulierten Umweltverträglichkeitsprüfung und meist mit dem Diebstahl von Wasser der umliegenden Ort-
schaften.

Inzwischen gibt es alternative Ansätze durch Fairphones.

Zum Schluss

Hieß es früher: Wenn Du einem Hungernden einen Fisch gibst, wird er heute satt, lehrst Du ihn zu fischen, wird er sein Leben lang nicht hungern, muss heute dazu kommen: Unterstütze die Hun-
gernden bei der Verteidigung ihrer Fischgründe (Ressourcen) gegen gierige internationale Unter-
nehmen und korrupte Regierungen, die den Ausverkauf ihrer Länder betreiben.

Vielleicht sollten zur Lösung des Hungerproblems nicht neue Technologien in den Vordergrund gerückt werden, während indigene, kleinbäuerliche, angepasste, tradierte mit Geringschätzung betrachtet und ausgemerzt sowie (auch) mit Freihandelsabkommen überrollt werden. Hunger wird gemacht. Das ist eine riesige Herausforderung für alle, die dem Hunger begegnen wollen und si-
cher ganz besonders für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen.

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Schulze
(Vorsitzender Nord Süd Forum München e.V.)
c/o EineWeltHaus – Schwanthalerstr. 80 RG. 80336 München – Tel: 089–85637523


www.nordsuedforum.de – E-Mail: info@nordsuedforum.de

Überraschung

Jahr: 2016
Bereich: Internationales