Flusslandschaft 2016

Militanz

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Am 17. Juli sitzt ein junger Mann in der Bushaltestelle Elsenheimerstraße. Die Aussage seiner Kopfbedeckung lässt rätseln. Ist sie ein Zeitzeichen, eine Emanation des Zeitgeistes oder dient sie einem Abwehrzauber. Benennt sie die alltägliche Gewalt um uns herum oder verweist sie auf das Gehirninnere, das sie umschließt. Vielleicht entstehen im Wandel der Zeit neue Fetische, die die Fetischisten der alten Schule nicht mehr einordnen können.

Am Freitag, den 22. Juli, ermordet ein zutiefst gestörter, junger Mann neun Menschen am Olym-
pia-Einkaufszentrum
. In kürzester Zeit herrscht im Stadtgebiet Ausnahmezustand. Der öffentliche Nahverkehr wird eingestellt, der Hauptbahnhof wird geschlossen.2

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Die Anteilnahme der Münchner Bevölkerung zeigt sich in Blumenmeeren,
die rund um den Ort des Attentats entstehen.

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Einige wenige Kommentare argumentieren auch politisch.

Der Amok-Läufer von München war rechtsorientiert. Er tötete vor allem Jugendliche mit Migra-
tionshintergrund. Schon wenige Tage nach der Tat flimmern über sämtliche Kanäle Statements von CSU-Politikern, die nicht anders zu erwarten sind. Innenminister Herrmann wiederholt ge-
betsmühlenartig, der islamistische Terror sei jetzt auch in Bayern angekommen. In dieser ange-
heizten Stimmung kann erfolgreich nach dem starken Staat, nach Aufrüstung der Polizei, nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren und nach der Einführung einer „Abschiebe-Kultur“ für Flüchtlinge gerufen werden.


1 Foto © Volker Derlath

2 Siehe „Akute ‘Sonderlage dahoam’. München zwischen Amok-Panik und Terror-Angst“ von Wolfgang Blaschka unter www.rationalgalerie.de/kritik/akute-sonderlage-dahoam.html.

3 Fotos: Richy Meyer

Überraschung

Jahr: 2016
Bereich: Militanz