Materialien 2017

Die Bannmeile wird durchlässig

Am 28. März beantragte die historisch-aktuelle Aktion „Revolution statt Krieg“ für den 12. April – den  Vortag der Errichtung der zweiten bayerischen Räterepublik 1919 – entsprechend dem baye-
rischen Versammlungsgesetz Art. 19 Abs. 3 beim Innenministerium die Zulassung einer Demon-
stration durch die Bannmeile und einer Versammlung direkt vor dem Landtag/Ostpforte. Dies war zuvor noch nie geschehen. Mit angemeldet wurden hölzerne Anscheinswaffen für die Darstellung der historischen Arbeiter- und Soldatenräte sowie eine ebenso hölzerne Kanone zur Symbolisie-
rung der Pariser Commune 1871, in deren Tradition sich die Arbeiter- und Soldatenräte sahen und die Veranstalter sehen.

Am 6. April lehnte das Innenministerium im Einvernehmen mit der Landtagspräsidentin Barbara Stamm den Antrag ab. Begründet wurde dies mit einer behaupteten Störung des Parlamentsbe-
triebs und: „Der ‘künstlerische’ Zug soll eine ‘Komposition aus Darstellern samt Requisiten sowie aus einem historischen Fahrzeug samt Aufbauten und Darstellern auf der Ladefläche’ bilden. Zu den Requisiten gehören u.a. auch eine ‘Kanone der Pariser Commune’ und ‘Holzgewehre aus hi-
storischer Darstellung’. Auch wenn diese Gegenstände lediglich ‘Anscheinswaffen ohne Schieß-
möglichkeit’ darstellen, wird dennoch eine gewisse Drohkulisse aufgebaut, die ggf. zu einer echten Bedrohungssituation führen könnte. Dies muss insbesondere vor dem Hintergrund des Themas der Versammlung ‘Deutscher Oktober 1918 – 1923 – Revolution statt Krieg’ gesehen werden. Diese Revolution ist in der Vergangenheit nicht friedlich bzw. gewaltlos verlaufen.“

Gegen diese Ablehnung haben die Veranstalter am 11. April eine einstweilige Anordnung beantragt, das Innenministerium zu verpflichten, die Aktion zuzulassen. Damit wurde die Bannmeile des bayerischen Landtags zum ersten Mal einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt.

Am 12. April vormittags hat das Verwaltungsgericht tatsächlich das Innenministerium zur Zulas-
sung verpflichtet, allerdings mit der Einschränkung, dass die hölzernen Anscheinswaffen nicht verwendet werden dürfen.

Dagegen haben die Veranstalter Beschwerde unmittelbar danach beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt.

Die Landesanwaltschaft hat ihrerseits für den Freistaat Bayern Anschlussbeschwerde u.a. mit fol-
gender Begründung eingelegt: „Kraft seiner Stellung als Verfassungsorgan hat der Landtag einen eigenen Beurteilungsspielraum. ob er seine Arbeits- und Funktionsfähigkeit als beeinträchtigt ansieht; dieser Beurteilungsspielraum muss aus Gründen der verfassungsrechtlich garantierten Gewaltenteilung auch von der Judikative respektiert werden.“

Sprich: Frau Barbara Stamm (CSU) und Herr Joachim Herrmann (CSU) sind der Meinung, dass sie über die Zulassung einer Demonstration in der Bannmeile alleine entscheiden können und ihre Entscheidung keiner richterlichen Kontrolle unterliegt. Selbstherrlichkeit pur!

Dem entgegnete der bayerische Verwaltungsgerichtshof: „Entgegen der Auffassung des Antrags-
gegners weist Art. 19 BayVersG dem Präsidenten des Bayerischen Landtags bei der Entscheidung über einen Antrag nach Art. 19 Abs, 3 BayVersG keinen nicht überprüfbaren Ermessensspielraum zu.“

Da der Verwaltungsgerichtshof weder eine Störung des Parlamentsbetriebs noch eine Bedrohung durch hölzerne Anscheinswaffen erkennen konnte, hob er antragsgemäß mit unanfechtbarem Be-
schluss die Einschränkung des Verwaltungsgerichts auf. Gleichzeitig verwarf er die Anschlussbe-
schwerde, die die Landesanwaltschaft für den Freistaat Bayern erhoben hat.

Die Aktion zog wie beantragt durch die Bannmeile zum Landtag.


Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD

Überraschung

Jahr: 2017
Bereich: Gedenken