Flusslandschaft 2017
Kapitalismus
Ein dreiviertel Jahr vor der bayrischen Landtagswahl im Herbst 2018 spendet die Metall-Lobby knapp eine Million Euro an Parteien. Es geht um „politische Landschaftspflege“. Das Geld wird allerdings recht ungleich verteilt. Die CSU erhält vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (u.a. BMW, Siemens) Ende Dezember 2017 650.000 Euro, an die FDP gehen 150.000 Euro. Jeweils 60.000 Euro bekommen SPD und Grüne.
Auch wenn vermutlich die Mehrheit in der Bevölkerung sich ausspricht für mehr Gleichheit zwi-
schen den Geschlechtern, für eine Verkürzung der Arbeitszeit, für eine gerechtere Verteilung des Reichtums, für die ökologische Umgestaltung unserer Lebensweise, für eine Stärkung der öffent-
lichen Grundversorgung sowie für eine tiefgreifende Demokratisierung aller unserer Lebensbe-
reiche, also auch der Arbeitswelt, das Geld unterstützt die, die wollen, das alles so bleibt wie es ist.
Immer wieder kommt es in der Münchner linken Szene zu Diskussionen über den Begriff „Kapita-
lismus“. Die einen sagen, die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft durch das Kapital und die damit verbundene Abschöpfung des Mehrwerts sei immer noch die Basis des Wirtschaftssystems, gegen das wir uns richten. Die anderen sagen, heute bestimmten nicht mehr Kapitaleigner oder deren Banken, sondern andere Akteure wie globale Vermögensverwalter, Hedgefonds und Privat Equity Fonds das Geschehen.
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Seit der Finanzkrise hätten Großbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank, Dresdner Bank und West LB mit der Wende zum dritten Jahrtausend ihre Macht weitgehend eingebüßt. Die neuen Global Player, die nicht als Banken gelten und daher nicht reguliert werden, hießen BlackRock (BlR), Vanguard, State Street (SST), Fidelity, Capital Group, JP Morgan Chase, T. Rowe Price, Bank of New York Mellon, Wellington, Amundi und Goldman Sachs. Von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble würden sie verharmlosend hinter dem Begriff »die Finanzmärkte« versteckt. Das verwaltete Kapital beim 1988 gegründeten BlR von 5 Billionen US-Dollar sei 15-mal größer als der Haushalt des deutschen Staats, in einem Drittel der DAX-Konzerne sei das Unternehmen Hauptaktionär, in allen DAX-Konzernen sei es Großaktionär und es sei Miteigentümer in 282 der 300 weltgrößten Unternehmen.
Freilich haben diese globalen Vermögensverwalter nur eines im Sinn: Kostensenkung und Gewinn-
steigerung. Das gelingt, wenn unprovitable Unternehmen ausgeschlachtet werden, um die Filet-
stücke freizulegen; der Rest wird abgewickelt. Oder es gelingt über Unternehmensfusionen wie bei dem US-Agrarchemiekonzern Monsanto und dem Chemiekonzern Bayer. BlR, SST und Sun Life sind an beiden Unternehmen die Hauptaktionäre. Sie können dies locker ins Werk setzen, weil sie einmal Miteigentümer der regulierten Wertpapier-Börsen wie der Deutschen Börse AG sind. Gleichzeitig organisieren sie in Dark Pools, einer geschlossenen und nicht einsehbaren Parallel-
welt, außerbörsliche Handelsplätze, wo anonym Unternehmen, Banken und Investoren ohne staatliche Finanzaufsichten agieren.
BlR wurde nach der Finanzkrise von Präsident Obama mit der Rettung der bankrotten Banken und Versicherungen in den USA beauftragt, die EU ersuchte BlR, die Europäische Zentralbank zu bera-
ten und die Risikoanalysen für die Bankenrettung in lrland, Griechenland, Großbritannien und Zypern zu erstellen, wohl wissend, dass BlR Miteigentümer an deutschen, französischen und weite-
ren europäischen Banken ist.
BlRs digitales Superhirn „Aladdin“ wickelt täglich Milliarden Finanzoperationen automatisch ab. Der größte Insider der westlichen Wirtschaft kombiniert mit der größten Kapazität für Datenverar-
beitung kauft und verkauft jenseits aller Finanzaufsichten innerhalb von Nanosekunden Wertpa-
piere, beeinflusst deren Kurs und profitiert davon. Kleinsparer mit ein paar Dutzend Aktien im Portefeuille muten dagegen steinzeitlich an.
Finanzkapital und Politik sind eng miteinander verwoben. Die Fed, die US-Zentralbank, und die Europäische Zentralbank lassen Risikoanalysen über „Aladdin“ erstellen. Die Stabschefin von Außenministerin Hillary Clinton wurde in den Aufsichtsrat von BlR berufen, der ehemalige CDU-Finanzpolitiker Friedrich Merz ist Aufsichtsratschef von BlackRock Deutschland.
Am 12. November entdeckt Attac München »kreativ umgestaltete Werbeplakate am Georg-Hirth-Platz«.3
Am 25. November demonstrieren Münchner Attacies auf einem Münchner Wochenmarkt unter dem Motto »Wochenmarkt statt Amazon – Stoppt die Steuertrickser!« gegen die Praktiken des interna-
tionalen Onlineshopping-Giganten.4
(zuletzt geändert am 8.4.2018)
1 Grafik: Bernd Bücking. In: Walter Baier/Erhard Crome/Conrad Schuhler, Die Zukunft Europas. Ohne demokratische Erneuerung hat es keine, isw-Report Nr. 111, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e.V., September 2017, 27.
2 Grafik: Bernd Bücking. In: Mayer/Garnreiter/Pauli/Schmid/Lessenich/Schuhler, Krise des Globalen Kapitalismus und jetzt wohin? isw-Report Nr. 109, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e.V., Juli 2017, 13.
3 Fotos: https://www.attac-muenchen.org/archiv-muenchen/2017-11-12-adbusting
4 Siehe https://www.attac-muenchen.org/archiv-muenchen/2017-11-25-wochenmarkt-statt-amazon.