Flusslandschaft 2018
Umwelt
1
In den letzten zweieinhalb Jahren wurde der BMW-Vorstandvorsitzende Harald Krüger nicht müde zu beteuern, BMW habe mit dem Abgasskandal nichts oder zumindest nur sehr wenig zu tun. Eine Aussage, die den Konzern gut dastehen ließ und von den Aktionärinnen und Aktionären gerne geglaubt wurde. Für kritische Experten wie den BUND Naturschutz war aber nicht zuletzt seit den im April 2016 veröffentlichten, offiziellen Messungen des Bundesverkehrsministeriums klar, dass auch Fahrzeuge der BMW AG beim Betrieb auf der Straße deutlich höhere Stickoxid-Werte aufweisen, als im Labor. Gedeckt von der aktuellen Rechtsauffassung der Bundesregierung blieben diese Erkenntnisse lange folgenlos. Richard Mergner, Landesvorsitzender kommentiert: „BMW muss seine Modellpolitik radikal ändern, denn die Zukunft der Mobilität liegt in einer intelligenten Verknüpfung von öffentlichem Personennahverkehr, Fahrrad und leichten und sparsamen Fahrzeugen. Statt verstärkt schwerere Stadtgeländewagen mit überdimensionierten Motoren auf den Markt zu bringen, wie gerade in diesen Tagen mit den Modellen X 7 und X 8, muss die immer größer werdende Klimakrise die Münchner Autobauer zum Umdenken zwingen.“ Anlässlich der Klage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der dauerhaften Überschreitung der gesetzlichen NO2-Grenzwerte fordert Mergner, dass endlich gehandelt werden müsse. „Die bislang angekündigten Maßnahmen reichen nicht aus, um die gesetzlichen NO2-Grenzwerte in allen betroffenen Städten in absehbarer Zeit einzuhalten. Minis-
terpräsident Markus Söder muss von Kanzlerin Merkel und Verkehrsminister Scheuer wirksame Maßnahmen zur schnellen Stickoxid-Reduktion einfordern. Die im Rahmen des ‘Sofortprogramms Saubere Luft 2017-2020‘ angekündigten Maßnahmen werden bestenfalls mittel- oder langfristige Reduktionen bringen, zur kurzfristigen Entlastung der Bürger*innen reichen diese nicht.“ Im Rahmen der Aktionärsversammlung sagt am 17. Mai der BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg in seiner Rede vor Ort: „Die Zeiten, in der die BMW AG behaupten konnte, dass sie mit dem Dieselabgasskandal nichts zu tun habe und niemals illegal manipuliert wurde, sind endgültig vorbei. Seit drei Wochen ist es offiziell: Auch bei BMW hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt. Mit der Folge eines offiziellen Rückrufes für die betroffenen BMW-Modelle. Es ist an der Zeit, von oberster Stelle den Menschen reinen Wein einzuschenken und sich zu den Versäumnissen in der Diesel-Affäre zu bekennen.“ Bei den Model-
len handelt es sich nicht um ältere Fahrzeuge. Vielmehr sind Modelle der aktuell noch immer kaufbaren Abgasnorm Euro 6 betroffen. BMW-Modelle dieser Norm werden tagtäglich als Neuwa-
gen ausgeliefert. Hilgenberg: „Während die Aktionäre tolle Geschäftszahlen feiern, fahren nur wenige hundert Meter weiter fabrikneue Euro 6-Diesel-Pkw aus der BMW-Welt auf unseren Stra-
ßen, die deutlich höhere Stickoxid-Werte aufweisen und einen Nachweis über die Wirksamkeit ihrer Abgasnachbehandlung schuldig bleiben. Das Pikante daran: mit den deutschlandweit höch-
sten NOx-Grenzwertüberschreitungen verpesten diese BMW die Luft in unseren Städten.“ Der BUND sieht die BMW AG in der Pflicht, das Verursachen von Schäden an Mensch und Umwelt schnellstens abzustellen. Das bereits vom Umweltverband vor einem Jahr geforderte Verkaufsver-
bot für Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 6, wenn diese ihre gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte nicht auch im Realbetrieb auf der Straße einhalten, ist mehr denn je von Nöten. Christian Hierneis, Vor-
sitzender der Kreisgruppe München des BUND kommentiert: „In München herrscht nach wie vor dicke Luft. An der Landshuter Allee lag der Durchschnittswert im Jahr 2017 für den gefährlichen Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2) bei fast dem Doppelten des gesetzlichen Grenzwerts. Auch an vielen weiteren Messstationen der Stadt München sind die Belastungen durch NO2 deutlich über dem Grenzwert. Wir fordern die BMW AG auf, endlich zu handeln und ihren Teil dazu beizu-
tragen, dass unsere Luft endlich sauber wird."2
„Knapp ein Fünftel der deutschen Treibhausgasemissionen stammen aus dem Verkehrssektor. Es ist der einzige Sektor, in dem im Vergleich zu 1990 die Emissionen nicht zurückgegangen, sondern weiter angestiegen sind. Schuld daran sind unter anderem die immer größeren und schwereren Autos, die BMW, Mercedes, Volkswagen und Co. auf den Markt bringen. Damit ist der Autoverkehr eine der Hauptursachen für die globale Klimakrise. Die Auswirkungen des veränderten Klimas sind heute schon spürbar, insbesondere in Ländern des Globalen Südens, aber auch hier bei uns. Die Autoindustrie heizt mit ihren immer größeren und schwereren Autos die Klimakrise entscheidend an. Doch damit nicht genug: Die Spritfresser auf unseren Straßen stoßen auch jede Menge gesund-
heits- und umweltschädlicher Stickoxide aus und verursachen Lärm. Darunter leiden besonders ärmere Bevölkerungsschichten. Denn wer es sich leisten kann, wohnt in der Regel nicht in der Nähe viel befahrener Straßen. Der Autoverḱehr ist außerdem einer der Haupttreiber des anhalten-
den Flächenfraßes und für jährlich über 3.000 Verkehrstote verantwortlich, darunter zahlreiche Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen. Die Autoindustrie macht ihre Gewinne auf Kosten von Umwelt, Gesundheit und Menschenleben. Daran kann ein Umstieg auf Elektroautos nur teilweise etwas ändern. Denn auch Elektroautos verursachen Lärm, beanspruchen wertvollen Platz in den Innenstädten, benötigen Straßen und Energie. Außerdem werden die metallischen Rohstoffe, die in großen Mengen in jedem Auto stecken unter oftmals katastrophalen Bedingungen für Mensch und Umwelt in Ländern des Globalen Südens abgebaut. Wir brauchen deshalb vor allem einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel. Ziel muss die Abkehr vom motorisierten Individualverkehr sein. – In München hat mit BMW nicht nur einer der größten deutschen Autokonzerne seinen Sitz. Hier werden auch regelmäßig Rekordwerte bei den Stickoxidemissionen gemessen. Wie der Die-
selskandal beweist, sind Autoindustrie und Politik in Deutschland nicht willens, die dringend not-
wendige Abkehr vom Verbrennungsmotor und vom motorisierten Individualverkehr einzuleiten. Das gilt auch für München. Obwohl die Stadt bereits im Jahr 2012 dazu verklagt wurde, etwas gegen die viel zu hohen Schadstoffemissionen aus dem Autoverkehr zu unternehmen, ist bisher nichts passiert. Aus diesem Grund nehmen wir den Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit selbst in die Hand: Am 8. September 2018 sagen wir in München „Ende Geländewagen!“ – In einer Aktion zivilen Ungehorsams werden wir mit unseren Körpern einen symbolischen Ort blockieren. Wir werden uns ruhig und besonnen verhalten, von uns wird keine Eskalation ausgehen, wir ge-
fährden keine Menschen. Wir wollen eine Situation schaffen, die für alle Teilnehmenden transpa-
rent ist und in der wir aufeinander achten und uns unterstützen. Die Aktion findet im Rahmen des globalen Aktionstags „Rise for Climate“ statt. Denn auch in Bezug auf den Verkehrssektor gilt: Kli-
maschutz ist Handarbeit!“3
Beim Oktoberfest verteilen Umweltverbände Fähnchen an Wiesnbesucher. In vier Sprachen heißt es: „Nein zu Patenten auf Bier, Brauen und Gerste.“
Der Schmutz hängt grauschwer in der Münchner Luft. Grenzwerte werden überschritten. Da macht es Hoffnung, wenn oberste Gerichte den Freistaat und die Kommune zum Handeln verdonnern. Die aber zucken seit Jahren nur mit den Schultern.4
In diesem Jahr wurden täglich 13 Hektar Boden in Bayern versiegelt. Der Boden hat keine Lobby, die Bauwirtschaft schon.
(zuletzt geändert am 12.1.2021)
1 Grafik: Bernd Bücking. In: Winfried Wolf, Elektro-Pkw als Teil der Krise der aktuellen Mobilität, Oder: Die Notwendigkeit einer umfassenden Verkehrswende, isw-Report Nr. 112/13, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e.V., März 2018, 5.
2 Siehe die Rede von Jens Hilgenberg: www.bund.net/aktuelles/detail-aktuelles/news/die-zukunft-ist-kleiner-leichterund-sparsamer/
3 Den Flyer zur Aktion und mehr Informationen gibt es unter: http://wagen.ende-gelaende.org #autofrei #endegelaende. Siehe „Der Ausgangspunkt: Wir brauchen ein neues Thema“ und „Vorspiel in München“ in: https://www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=1&p=20931.
4 Siehe „Kein effektiver Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ von Remo Klinger.
2 Grafik: Bernd Bücking. In: A.a.O., 21.